^ Zell im Wiesental: Des Hürus` wichtigster Begleiter - Zell im Wiesental - Verlagshaus Jaumann

Zell im Wiesental Des Hürus` wichtigster Begleiter

Markgräfler Tagblatt

Serie: 50 Jahre Hürus (2): Der Kanzler ist die rechte – und manchmal auch die linke – Hand des Fasnachtsregenten

Seit 50 Jahren haben die Zeller einen Hürus als Fasnachtsregenten. Er löste im Jahr 1968 die vorherige Figur des Fasnachtsprinzen ab. Fürs Markgräfler Tagblatt ist dies Grund genug, mit einer Serie von Artikeln die Zeller Hürusse zu würdigen und den Lesern einen Einblick in die fasnächtliche Welt der Hürusse geben. Dabei werden wir auch den einen oder anderen Blick hinter die Kulissen werfen und vielleicht das eine oder andere Geheimnis lüften können – wenn auch nicht jedes. Heute geht es um die wichtigste Begleitperson des Hürus`, den Kanzler.

Von Uli Merkle

Zell. Er steht immer ganz oben oder ganz vorne, immer im Rampenlicht: der Zeller Hürus. Aber einer steht immer bei ihm, wenn auch um einen Schritt nach hinten versetzt und vielleicht nicht ganz so im Licht. Aber er ist immer da, wo auch der Hürus ist: sein Kanzler. Er ist der treueste Begleiter des Hürus`. Er ist seine rechte und manchmal auch seine linke Hand. Er ist sein Coach und Terminplaner, sein Finanzverwalter, sein Stichwort- und Ratgeber – kurzum sein wichtigster Mann.

In 50 Jahren gab es nur acht Kanzler

Einen Kanzler gab es an der Zeller Fasnacht schon zu Prinzenzeiten. Die verantwortungsvolle Tätigkeit verlangt viel Erfahrung, was dazu führt, dass dieses Amt von einer Person über viele Jahre hinweg ausgeführt wird. Die letzten 50 Jahre brachten zwar 50 Hürusse, aber nur acht Kanzler.

Der Job des Kanzlers beginnt in dem Augenblick, wenn er den Hürus zum ersten Mal sieht. Bei dem konspirativen Treffen mit dem Präsidenten der Fastnachtsgesellschaft und dem neuen Hürus kurz vor dem Ölfte Ölfte. Bei diesem Treffen muss sich der Kanzler auf seinen neuen Hürus einstellen, vielleicht kennt er ihn schon, vielleicht ist es jemand, mit dem er zuvor nie Kontakt hatte. Seine erste Aufgabe, die er jetzt schleunigst erledigen muss, ist, den Ablauf des Ölfte Ölfte bis ins Detail zu planen. Wie kommt der Hürus zum Veranstaltungsort? Wo wird er während des Programms am unauffälligsten platziert? Sitzt er, wie alle anderen Gäste auch, ganz normal unter den Besuchern? Muss er versteckt werden? Müssen irgendwelche falsche Spuren gelegt werden? Alles muss akribisch vorbereitet werden, so dass niemand zu früh etwas erfährt oder auch nur einen Verdacht schöpft.

Hürusse sind schon in Teppichen eingerollt über den Notausgang der Realschule in einen Nebenraum der Stadthalle getragen worden, wobei die Teppichträger nicht einmal wussten, wen sie denn da eingewickelt die Treppe hochschufteten. Als im Jahr 1994 der Zeremonienmeister Rainer Wassmer Hürus wurde, lief er beim Hüruseinmarsch ganz normal als Zeremonienmeister vorweg auf die Bühne, verschwand unbemerkt, um sich Minuten später als Hürus Rainer vo Atzenbach zu präsentieren. In einem anderen Fall war es dem Kanzler zu riskant, den künftigen Hürus vor dem Einmarsch in die Halle zu lassen. Dieser war dann verdammt, alleine zu Haus auf dem Sofa zu liegen und sich die Sportschau anzuschauen, während die Stimmung am Ölfte Ölfte auf ihren Höhepunkt zutrieb.

Ölfte Ölfte ist ein arbeitsintensiver Abend

Der Kanzler hat auch am Ölfte Ölfte einen arbeitsintensiven Einsatz. Während im Fun und Freizeitpark Spassi das Programm läuft, muss er einiges vorbereiten. So kommt es, dass ein Kanzler noch nie das Programm an einem Ölfte Ölfte genießen konnte. Er muss in dieser Zeit die Wohnung des Hürus` vorbereiten, denn es ist Brauch, dass der Hürus nach der Veranstaltung Freunde zu sich nach Hause einlädt. Da können schon mal über 50 Personen zusammenkommen. Erst jetzt, also während die Zeller sich am närrischen Programm des Ölfte Ölfte erfreuen, werden zwei weitere Personen eingeweiht: die beiden Gaukler. Sie helfen jetzt, die Hürus-Wohnung für den zu erwartenden Ansturm herzurichten, und das geht nun einmal nicht, ohne zu merken, wer in dieser Wohnung zuhause ist. So müssen Speisen und Getränke herangeschafft und verstaut, Möbel verschoben, Festgarnituren aufgestellt und alles fasnächtlich dekoriert werden. Sind diese Arbeiten erledigt, gilt es, den Hürus für den Einmarsch vorzubereiten. Alles in allem ein äußerst hektischer Abend für Kanzler und Gaukler.

Gleich nach dem Ölfte Ölfte beginnen die planerischen und organisatorischen Arbeiten für den Kanzler für die gesamte Fasnachtszeit. Er pflegt den Terminkalender des Hürus` und spricht diesen regelmäßig mit ihm durch. Um die 70 offizielle Auftritte sind darin festgehalten. Dazu kommen noch mindestens so viele inoffizielle Termine und Einsätze. So muss der Kanzler, zusammen mit dem Hürus, die Produktion der Hürusorden organisieren und mit Helfern durchführen, Foto- und Pressetermine stehen an, die Gastgeschenke für die Vogteien werden gemeinsam überlegt und beschafft, bevor dann nach dem Dreikönigstag die ersten Chappeobe besucht werden.

Jede Vogtei erhält vom Kanzler eine exakte Uhrzeit, wann der Hürus auftreten wird. Bei mehreren Auftritten an unterschiedlichen Orten am gleichen Abend kann dies eine große Herausforderung darstellen. An den Chappeobe selbst ist der Kanzler immer nahe beim Hürus. Es gibt Hürusse, die legen souverän einen Auftritt hin, sprechen frei und agieren spontan. Der eine oder andere braucht aber ab und zu ein Stichwort, das ihm dezent vom Kanzler zugeflüstert wird. Oft werden vom Hürus bei seinen Auftritten irgendwelche Fertigkeiten abgeprüft. Besteht dabei die Gefahr, dass der Hürus selbst oder sein Kostüm bei einer solchen Aktion einen Schaden nehmen könnte, muss der Kanzler ran. Dass diese Vorsichtsmaßnahme durchaus sinnvoll ist, zeigte sich im vergangenen Jahr beim Bunten Abend der Narrenzunft Atzenbach, als Kanzler Torsten Weinstein anstelle des Hürus` irgendwelche Verrenkungen machen musste und dabei seine Hose, für alle deutlich sichtbar, an der heikelsten Stelle riss. Das fanden alle – außer dem Kanzler – ziemlich lustig. Er hatte aber das Problem zu lösen, schnellstens ganz diskret eine neue Hose zu organisieren und dabei trotzdem den Zeitplan einzuhalten. Das gelang Kanzler Torsten natürlich. Dass er anschließend die Hose seiner Feuerwehruniform trug hat nicht wirklich jemand bemerkt.

Süppchenkocher und Ladyblocker

Bis zum Aschermittwoch verdichtet sich der Terminplan des Hürus`, bis hin zur eigentlichen Fasnacht, an der Termine fast rund um die Uhr anstehen. Jetzt führt der Kanzler sogar die Schlafzeiten des Hürus im Terminkalender auf und er hat nun wirklich eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“. Da wird, wenn seine Hoheit, der Hürus, dies wünscht, morgens um fünf ein Süppchen serviert oder, falls es nötig ist, morgens um sechs noch das Wasserglas mit dem aufgelösten Aspirin gereicht.

Manchmal muss der Kanzler auch als „Ladyblocker“ ran, wenn gar zu aufdringliche Damen den Hürus belästigen. Auch dazu ist ein Kanzler immer bereit. Das Gerücht, dass der Kanzler in dieser Zeit im „Gräbli“ des hürus`schen Ehebetts übernachtet, ist zwar nicht bewiesen, aber auch nicht so abwegig. Immerhin gab es schon Hürusse, die behaupteten, der Kanzler sei ihnen wichtiger als die Ehefrau. Zumindest bis Aschermittwoch.

Eines ist gewiss: Hürusse und Kanzler bilden eine unzertrennliche Symbiose. Eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft auf Zeit – eine unvergessliche und nie mehr wiederkehrende Zeit. Dabei sind schon viele Freundschaften entstanden, die weit über das Fasnachtmachen hinausgehen. Dann endet der Job für den Kanzler nicht am Aschermittwoch. Dann kann es eine Lebensaufgabe werden.

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