Zell im Wiesental Die Zeller Fasnacht soll munter bleiben

Uli Merkle

Fasnacht: Narren entwickeln einige Ideen / Rückblick: In früheren Zeiten fiel die Narretei einige Male aus

„´S got drüber und drunter, d` Zeller Fasnacht bliebt munter“ – das Zeller Fasnachtsmotto 2022 trifft einmal mehr den Nagel auf den Kopf. Es geht tatsächlich drüber und drunter, nicht nur in Zell, sondern überall auf der Welt. Und dass die Zeller Fasnächtler munter bleiben, versteht sich von selbst: Die Vogteien, die Fastnachtsgesellschaft, Alti, Jungi, Dicki und Dünni sprühen vor Ideen, was man machen könnte, wenn man nur könnte.

Von Uli Merkle

Zell. Was von diesen Ideen umgesetzt werden kann und darf, wird man sehen. Nur eines ist klar: Die Zeller Fasnacht findet statt. Das „Wie“ ist eine Frage der Intensität, der Verantwortung und der individuellen und coronakonformen Möglichkeiten. Es wird wohl eine Fasnacht „auf Sparflamme“ werden. Das Städtli ist jedenfalls schon mal fasnächtlich herausgeputzt, die Fasnachtsplaketten werden verkauft und die Fasnachtszittig ist im Druck.

Kann eine Fasnacht überhaupt abgesagt werden? Nein, das geht nicht. Man kann auch nicht Weihnachten oder einen Geburtstag absagen. Solche Anlässe sind fest im Kalender verankert und finden statt. Im schlimmsten Fall ohne den Anlass zu feiern, zu begehen oder, wie bei der Fasnacht, „zu machen“.

Jahre ohne Fasnachtsveranstaltungen gab es selbst in Zell schon mehrmals. So beispielsweise während des Ersten Weltkriegs und im Jahr danach. In den Jahren 1915 bis 1919 war nicht an Fasnacht zu denken. In einem Tagebuch einer Zellerin, die fast jeden Tag des Krieges akribisch aufführt, wird die Fasnacht die ersten drei Jahre gar nicht vermerkt, weil die Sorgen und Nöte zu groß waren, als dass einem Fasnacht überhaupt in den Sinn gekommen wäre. Erst am Fasnachtsmontag 1918 traut die Zellerin ihrem Tagebuch, neben den aktuellen Kriegsgeschehnissen, an: „Die dritte Kriegsfasnacht vergeht ganz unbemerkt, man denkt kaum mehr daran.“

Auch 1919, der Krieg ist schon seit November 1918 vorbei, gibt es in Zell keine Fasnacht. Im Zeller Krankenhaus und in den Lazaretten werden zu diesem Zeitpunkt noch 300 Kriegsverwundete versorgt. Lazarette sind im Haus Schonlau (heute Flüchtlingsunterkunft beim Bahnhof) und in der ehemaligen Gewerbeschule (heute Teil des Kindergartens in der Bahnhofstraße) eingerichtet. Auch in den Wirtschaften Pfefferhütte, Schwanen, Ochsen und Kranz sind Verwundete und an Malaria- oder Diphtherie Erkrankte untergebracht.

Erst 1920 gibt es in Zell wieder eine, wenn auch spärliche Fasnacht. Die Fasnacht wird noch „wild“, also unorganisiert gemacht. Um die Zeller nach dem Krieg wieder an die Fasnacht heranzuführen, hat der damalige Ratsschreiber Böhler diese beschrieben. Hier ein paar Auszüge aus seinem Text von 1920: „Weil jetzt bald Fasnacht ist, möchte man wissen, was da im Städtli so alles los ist. Das sind so Feiertage, an denen man das Alltagsleben etwas abstreifen kann. Am Fasnachtssonntag nachmittags versammeln sich die jungen Burschen am Latschariplatz und warten auf vorbeikommende Mädchen, um zu versuchen sie zum Tanz einzuladen. Es ist nämlich abends in drei Wirtschaften Tanz, an dem man auch einzelne Fasnachtsnarren herumspringen sieht.

Am Fasnachtsmontag geht`s dann richtig los. Es ist Jahrmarkt, an dem man alles bekommt, was das Herz begehrt. Für die Jungen gibt es eine ´Rössliritti` und eine ´Buddi` (Schiffschaukel). Abends sitzt man in die Wirtschaft und trinkt seinen Schoppen. Dann kommen die Fasnachtsnarren ´un was für Figure!` und machen alles frech und grob drunter und drüber. Frauen machen teilweise unter der Maske auch Fasnacht. Sie gehen in die Wirtschaften, um nachzusehen, was ihre Männer so treiben. Ob sie gehörig einen saufen oder gar mit dem Serviermädchen ´ummeschmuße`. Manchmal machen sie sich selbst an den eigenen Mann ran. Wenn der wüsste, wer hinter der Maske steckt! Da würde er sich sicher mehr „zämme neh“. Es soll schon vorgekommen sein, dass es danach mitten in der Nacht und bei Sternenhimmel ein Donnerwetter gegeben hat.

Am Fasnachtsdienstag wird dann alles nachgeholt, was man am Vortag versäumt hat. Allerdings nur, wenn es die Mittel noch hergeben. Was nicht immer gegeben ist.“

Zwischen 1921 und 1925 erlebt die Zeller Fasnacht eine Blütezeit, obwohl die Zeiten wirtschaftlich schwer und politisch unruhig sind. Außerhalb populär wird die Zeller Fasnacht spätestens 1926. In diesem Jahr wird die Fasnacht aus wirtschaftlichen Gründen vom badischen Innenminister generell verboten. Alle hielten sich an dieses Verbot, nur nicht die Zeller. Viele Besucher kamen deshalb nach Zell. Daraufhin gab es scharfe Kritik von allen Seiten und das Land Baden entschied, auch die Fasnacht 1927 unter Androhung schärfster Strafen zu verbieten. Aber auch 1927 hat man in der badischen Residenzstadt Karlsruhe nicht mit der Findigkeit der Zeller Fasnächtler gerechnet. Denn es gab bei diesem Verbot eine kleine Ausnahme. Diese besagte, dass in Orten, wo die Fasnacht eine lange Tradition hat, diese durchgeführt werden darf. Da tauchte, o Wunder, eine alte Urkunde aus dem Jahr 1627 auf, aus der hervorging, dass damals schon in Zell eine Fasnacht stattgefunden hat. Flugs meldete die Fastnachtsgesellschaft für 1927 die Jubiläumsfasnacht „300 Jahre Zeller Fasnacht“ an, die dann auch mit allem Pomp durchgezogen wurde.

Und jetzt? Jetzt stehen die Zeller im zweiten Jahr in Folge vor einer Fasnacht, die keine richtige ist. Trösten kann man sich damit, dass man auch Fasnacht im kleinen und kleinsten Rahmen machen kann. Trösten kann man sich auch mit der Erfahrung, dass nach längerer Fasnachtsabstinenz die Zeller Fasnacht immer wieder auferstanden ist. An den Fasnächtlern soll es nicht liegen: Die Ideen und der Wille sind da, um wieder „richtig Fasnacht z’mache“.

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