Zell im Wiesental Glockenrein, kapriziös, wie beflügelt

Jürgen Scharf
Eine Entdeckung waren die 24 Lieder von Carl Maria von Weber mit der Sängerin Andrea Chudak (rechts) und der Gitarristin Lidiya Naumova in Zell. Foto: Jürgen Scharf

Konzert: Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft hatte geladen – und der Ratssaal war ausgebucht

„Was ganz Neues, Carl Maria von Weber von dieser Seite zu erleben.“ Dies sagte Bürgermeister Peter Palme zu dem besonderen Konzert mit Liedern zur Gitarre, zu dem die Internationale Carl- Maria-von-Weber-Gesellschaft in den Zeller Ratssaal in der Constanze Weber-Gasse eingeladen hatte.

Von Jürgen Scharf

Zell. Carl Maria von Weber habe Zeller Wurzeln, so Palme. Schließlich stammte der Vater des Komponisten, Franz Anton, aus Zell, war Beamter, Musiker und Direktor eines Wandertheaters. Sein Sohn Carl Maria ist der Cousin der in Zell geborenen Constanze Mozart, der „berühmtesten Tochter der Stadt“.

Palme freute sich, dass sich das „beschauliche Zell“ in eine Reihe mit bekannten Städten wie London, Prag und Berlin einreihen dürfe. „Wir feiern auch vergnügt, singen unsere Liedchen und einen Wein trinken wir auch gern“, so ein humoriger Bürgermeister, dem das Konzert genauso gut gefiel wie den knapp 100 Zuhörern im ausverkauften Saal.

Schon an der Eingangstür hing ein kleiner Hinweiszettel: „Sorry. Wir sind voll ausgebucht. Alle Plätze sind vergeben.“ Ein schöner Erfolg für Initiatorin und Organisatorin Heidi Knoblich, die diese Auftaktveranstaltung zur Mitgliederversammlung der in Berlin beheimateten Weber-Gesellschaft nach Zell holte und dies „als große Ehre“ empfand.

Unterhaltsames Konzert mit frühen Liedern

Dass das Eröffnungskonzert des Mitgliedertreffens einen so großen Zulauf hatte, erstaunte auch den Vorsitzenden der Gesellschaft, Manuel Gervink: Zell im Wiesental brauche sich wegen der Einwohnerzahl nicht hinter anderen Weber-Metropolen zu verstecken, meinte er.

Die Veranstaltung passte gut in Zells Geschichte, und Knoblich, die eine kurze Einführung gab, machte am Tag darauf noch einen Rundgang mit den Gesellschaftsmitgliedern durch die „musikalische Stadt“ und besuchte das Textilmuseum.

Der Titel des unterhaltsamen Konzerts mit frühen Liedern – leichte Gesellschaftsmusik, gesetzt zur Gitarrenbegleitung – war einem Werk Carl Maria von Webers entliehen: „Bach, Echo und Kuss“. Im Programm wurden romantische Gefühle wach, werden junge Mädchen von Jägern wachgeküsst. Entstanden sind die Lieder zu „vorgerückter, geselliger, weinseliger Stunde“ (Knoblich), komponiert oft aus dem Stegreif mit meist volkstümlichem Charakter.

Die Farbe der Romantik ist blau, erinnerte Knoblich an die „Blaue Blume“ der Romantik, mit einem Seitenblick auf das himmelblaue Abendkleid der Sängerin. Aus Berlin extra für diesen Auftritt angereist waren die Sopranistin Andrea Chudak und ihre ukrainische Duopartnerin Lidiya Naumova, die vor zehn Jahren diese Sammlung gitarrenbegleiteter Lieder auf CD herausgebracht haben.

Wie man hören konnte, ist die Sopranistin zur Weber-Interpretin prädestiniert. So mühelos wie ihr Gesang in allen 24 Liedern plus zwei Zugaben wirkt, trifft Chudak den Ton zwischen frühromantischer Volkstümlichkeit und bürgerlicher Unterhaltung. Ihr Gesang hat Leichtigkeit und Esprit, aber auch die nötige Schlichtheit in den Gesten und Verzierungen. Ihre Stimme ist glockenrein und gut geführt mit strahlender Höhe.

Den Liederreigen beginnt sie mit „Meine Lieder, meine Gesänge“ aus dem frühen Opus 13 und verfällt nicht in den naheliegenden intellektuellen Fehler, aus Webers schlichten Weisen schon Kunstlieder à la Schubert zu machen. Die versierte Sängerin, auch eine Meyerbeer-Spezialistin und Operettendiva, hat schon mal in Webers „Freischütz“ das Ännchen gesungen.

In den Weber-Liedern versprüht sie so viel Vitalität, Frische und ehrliches Interesse an dieser Vokalmusik, dass auch das Publikum im Saal nicht nur neugierig zuhörte, sondern von der wunderschönen Stimmung der liebenswürdigen Lieder, Romanzen, Canzonetten, aber auch den durchaus frecheren wie dem „Bettlerlied“ (mit dem Refrain „bayerisch muss sein“) wie beflügelt wurde.

„Gut durchgehalten“, wie die Sängerin sich das wünschte, haben die Zuhörer im „Abendsegen“ aus Opus 64 – wegen der eingängigen Melodien auch Volksliedzyklus genannt –, dem Lied mit den meisten Strophen des Abends: neun an der Zahl. Als die Sopranistin in schönstem hauchzartem Pianissimo „Lasst mich schlummern“ sang, waren die flackernden Kerzen im Leuchter schon etwas heruntergebrannt, und als sie sich mit „Herzchen, mein Schätzchen“ verabschiedete, war die Freude groß über diese Entdeckungen, die man noch heute bei Carl Maria von Weber machen kann.

Werkdienlich begleitete die Gitarristin Lidiya Naumova diese mal schlichten, mal kapriziösen, teils schwärmerischen und humoristischen Vortragslieder im Volksliedston. Nach jedem Lied spendeten die Zuhörer ausgiebigen Beifall für die schönen Lieder.

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