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Zell im Wiesental Narren werden wieder ausgebremst

Markgräfler Tagblatt
Verbotene Fasnacht 1926: Das verstanden die Fasnächtler unter „althergebrachten historischen Bräuchen besonderen lokalen Charakters“.Fotos: Archiv Uli Merkle Foto: Markgräfler Tagblatt

Serie Zeller Fasnacht: Fast 400 Jahre Narretei in Zell – mit einigen unfreiwilligen Unterbrechungen

Fast 400 Jahre alt ist die Zeller Fasnacht. Seit spätestens den 1870er Jahren wird die Fasnacht mit Umzügen und Saalveranstaltungen bis heute ähnlich durchgeführt. Fast jedenfalls. Einiges hat sich geändert, Neues kam hinzu, manch Altes ist auch auf der Strecke geblieben. Eines hat sich erhalten: Fasnacht ist für die meisten Zeller das höchste Ereignis im Jahresablauf. Jedenfalls fast immer. Dieses Jahr wird die Fasnacht eine andere sein.

Von Uli Merkle

Zell. Dies ist der erste Teil einer Artikelserie über die Geschichte und Eigenarten der Zeller Fasnacht, früher, heute und speziell in diesem Jahr. Einem Jahr, in dem keine Umzüge oder andere öffentliche Veranstaltungen stattfinden werden. Gab es solche Situationen schon einmal?

Obwohl der erste Beleg einer Fasnacht in Zell aus dem Jahr 1627 stammt, kann diese erst ab den 1870er Jahren einigermaßen rekonstruiert werden. War es in den Jahren zuvor eine „wilde Fasnacht“, begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Vereine Fasnachtsveranstaltungen zu organisieren. Ab 1875 gab es die ersten „Schauzüge“ in Zell. Maßgeblich organisiert wurden diese Umzüge und Saalveranstaltungen vom Turnverein, dem Gesangsverein und den beiden existierenden Lesegesellschaften. In Zell entstand in diesen Jahren eine „fünfte Jahreszeit“, die mehr und mehr auch Besucher von auswärts anlockte.

Ein jähes Ende aller fasnächtlichen Aktivitäten brachte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Auch nach dessen Ende war an Fasnachtmachen nicht zu denken. Erst war es die Spanische Grippe, die 1918 bis 1920 wütete und die im damaligen Deutschen Reich 426 000 Todesopfer forderte. Allerdings war die damalige Pandemie wesentlich dramatischer als die Situation heute. Zum einen waren Krankenhäuser und Lazarette mit den Verwundeten des Krieges ausgelastet, zum anderen war die medizinische Versorgung generell schlechter. Außerdem war die wirtschaftliche Lage mit einer hohen Arbeitslosigkeit schier aussichtslos.

Zeller hielten es ohne Fasnacht nicht mehr aus

Im Jahr 1925, nach elfjähriger Unterbrechung, hielten es die Zeller nicht mehr ohne Fasnacht aus. Sowohl am Fasnachtssonntag als auch am Fasnachtsmontag zog ein Umzug durch die Stadt. Es gab einen Prinz Carneval „mit Riesengefolge“ und etliche Fasnachtsveranstaltungen in den Wirtshaussälen. Auf wenig Gegenliebe stießen diese fasnächtlichen Aktivitäten, die es im Jahr 1925 im weiten Umkreis sonst nirgends gab. Es gab harsche Kritik an den Zellern, „die als Arbeiter nur das zum Leben Notwendigste verdienen… und deshalb auf öffentliche Fasnachtsfreuden freiwillig Verzicht leisten sollten“. Ein Jahr später, im Jahr 1926, wurde die Fasnacht vom badischen Innenminister grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme gab es allerdings, dann nämlich, wenn „althergebrachte historische Bräuche besonderen lokalen Charakters“ zelebriert werden. Da beriefen sich die Zeller schnell auf die erste urkundliche Erwähnung von 1627 und zogen, als einige der wenigen Orte in ganz Baden, ihre Fasnacht durch. Eine Fasnacht, die zwar Besucher aus dem ganzen Wiesental nach Zell brachte, die aber einmal mehr vernichtende Kritik von außerhalb nach sich zog.

Nächste Zwangspause dauerte neun Jahre

Im Jahr 1927 wurde die Fastnachtsgesellschaft Zell gegründet, die sich fortan um die Organisation kümmerte und diese ununterbrochen bis 1939 durchzog. Im Dezember 1939, also vier Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, stellte die Fastnachtsgesellschaft beim Verband der Oberrheinischen Narrenzünfte (VON) den Antrag, im Februar 1940 ein großes Narrentreffen ausrichten zu dürfen. Daraus wurde nichts.

Denn Tage später kam ein Schreiben des VON, dass sich alle Mitgliedszünfte „während des Krieges jeder öffentlichen karnevalistischen Veranstaltung enthalten sollen“. Es folgte also die zweite langjährige Unterbrechung aller fasnächtlichen Aktivitäten. Einzig am 4. Februar 1940 veranstaltete die Fastnachtsgesellschaft im Gemeinschaftsraum der Weberei ein „Wunschkonzert zugunsten unserer Frontsoldaten“.

Die Zwangspause dauerte dieses Mal neun Jahre. 1948 fand, wenn auch verbotenerweise, eine Fasnacht in Zell statt. Zell befand sich damals unter französischer Besatzung. Diese verbot jede Art von Menschenansammlungen oder Veranstaltungen und drohte mit harten Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlung.

Grönländer veranstalten illegalen Umzug

Dennoch rumorte es im Zeller Ortsteil Grönland. Dort wurde heimlich an Umzugswagen gebaut und Kostüme wurden genäht oder „organisiert“. Am Fasnachtssonntag wagten sich die Grönländer auf die Straßen und veranstalteten einen illegalen Umzug im Grönland. Gepackt von einer Hochstimmung, getrauten sie sich im Laufe des Nachmittags mit ihrem Umzug bis ins Zeller Städtli. Eine brenzlige Situation entstand direkt am Latschariplatz. Denn im Gasthaus „Kranz“ war die französische Kommandantur untergebracht, deren bewaffnete Soldaten das Treiben beobachteten, allerdings nichts unternahmen. So kamen alle Fasnächtler an dieser verbotenen Fasnacht ungeschoren davon. Wer weiß, was passiert wäre, wenn das französische Militär eingegriffen hätte?

Ab 1949 konnte die Zeller Fasnacht wieder ganz offiziell stattfinden. Bis ins Jahr 1991 sollte es dauern, bis wieder einmal alle Fasnachtsveranstaltungen abgesagt wurden. Am 17. Januar 1991 brach der Golfkrieg aus, und es gab in Deutschland eine allgemeine antifasnächtliche Stimmung. Nachdem die Karnevalshochburgen Köln, Mainz und Düsseldorf ihre Veranstaltungen abgesagt hatten, empfahl auch der VON seinen Mitgliedszünften, auf Fasnachtsveranstaltungen zu verzichten.

Entscheidung von 1991 wird als Fehler gesehen

Nach langen Diskussionen fügte man sich in Zell widerwillig dieser Empfehlung. Im Nachhinein war man sowohl beim VON als auch in Zell der Meinung, dass dies falsch war. Denn irgendwo auf der Welt herrscht immer Krieg und Elend. Als Fasnächtler kann man das nicht beeinflussen. Aber mit der Fasnacht kann man anderen und auch sich selbst eine Freude machen.

In diesem Jahr ist die Situation gänzlich eine andere. Wie der Präsident der Zeller Fastnachtsgesellschaft, Peter Mauthe, betont: „Fasnacht wird sein, auch wenn es keine öffentlichen Veranstaltungen geben wird. Es war auch Weihnachten, obwohl keine Weihnachtsmärkte stattgefunden haben. Die Rücksicht auf die Gesundheit der Mitwirkenden und Besucher verbietet dieses Jahr allerdings eine Fasnacht, wie wir sie üblicherweise gewohnt sind.“

An den Fasnachtstagen selbst soll man in Zell in diesem Jahr auch ohne die üblichen Veranstaltungen merken, dass Fasnacht ist. Es gibt beispielsweise eine Fasnachtsplakette, die schon seit dieser Woche verkauft wird. Der Verkauf der Plaketten hilft, die laufenden Kosten, die trotzdem anfallen, zu decken. Jede Plakette nimmt nach der Fasnacht automatisch an einer Verlosung teil, bei der eine massiv silberne und goldene Plakette zu gewinnen sein werden. Außerdem zeigt man mit dem Tragen der Fasnachtsplakette seine Solidarität mit der Zeller Fasnacht, getreu dem Motto 2021: „Trotz dem ganze Gruus, mir mache ‘s Beschti drus.“

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