Zell im Wiesental Wie steuern Firmen durch die Krise?

Markgräfler Tagblatt

Corona-Pandemie: Unternehmen im oberen Wiesental zur aktuellen Lage und zu Perspektiven / Teil 1

Das grassierende Corona-Virus hat Deutschland in eine Krise gestürzt, deren Dimension bis vor Kurzem noch undenkbar war. Es geht in erster Linie um die Gesundheit und das Leben von Menschen. Weh tut die derzeitige Situation aber auch der Wirtschaft, denn das Herunterfahren gewohnter Produktionsabläufe gefährdet Unternehmen und die Arbeitsplätze vieler Menschen. Wir haben uns bei den Firmen im oberen Wiesental umgehört, wie sie mit der so noch nie dagewesenen Situation umgehen.

Heinzmann

Bei der Firma Heinzmann heißt es, dass man die Krise aktuell einigermaßen gut bewältigen könne. Im Monat April werde ein Auftragsrückgang von 15 Prozent verzeichnet, die Monate Mai und Juni „sehen schon problematischer aus“, so Geschäftsführer Markus Gromer.

Das Unternehmen hat ein Covid-19-Krisenteam installiert, das sich regelmäßig trifft, um auf die neuesten Entwicklungen zu reagieren. „Wir legen großen Wert darauf, dass sich alle Mitarbeiter an die Hygiene- und Verhaltensregeln halten“, betont Gromer. Deshalb sei an jedem Eingang eine Handdesinfektionsstation angebracht, und wer eine Maske tragen möchte, bekomme diese zur Verfügung gestellt.  Das Unternehmen habe von den Erfahrungen seiner chinesischen Niederlassung lernen können und sich frühzeitig mit Desinfektionsmitteln und Schutzmasken eingedeckt, berichtet der Geschäftsführer.

In einigen Bereichen, die von dem Umsatzrückgang betroffen sind, wurde bei Heinzmann Kurzarbeit eingeführt. Alle Reisen und Messen seien komplett storniert worden. Die Büroarbeitsplätze sind entzerrt und wo möglich ins Homeoffice verlagert worden. Die Geschäftsleitung verzichte in der aktuellen Krise auf einen Teil ihres Gehalts, so Gromer.

Was den weiteren Fortgang der Krise betrifft, geht der Geschäftsführer davon aus, dass es zu einer weltweiten Rezession kommen wird. Bei Heinzmann forciere man aktuell die Fortführung von Projektentwicklungen, so dass man nach der Krise mit neuen Projekten am Markt sein könne.

Interbros

Trotz der außergewöhnlich herausfordernden Situation laufe die Produktion mit vielen Sicherheitsvorkehrungen „aktuell noch ordentlich“, heißt es bei der Schönauer Firma Interbros. Neben persönlichen Schutzmaßnahmen (Desinfektionsmittel, Schutzmasken, Fieberthermometer) wurden auch umfangreiche organisatorische Veränderungen eingeführt und klare Abläufe zum Schutz der Mitarbeiter kreiert. „Grundprinzip war hierbei die Gruppenbildung und -trennung, um die menschlichen Kontakte weitestgehend zu reduzieren“, sagt Personalleiter Michael Schneider.

Zum allgemeinen Umgang mit der Situation meint man bei Interbros, dass Deutschland derzeit sehr vieles richtig mache. Mit Blick voraus sagt Schneider: „Wir sollten noch etwas abwarten und dann gezielte und clevere Entscheidungen treffen. Aus unserer Sicht kann ein zu frühes ´Hochfahren` eine noch schlimmere Situation mit sich bringen.“  Grundsätzlich benötige man beim Wiederhochfahren der Wirtschaft besonnene und intelligente Strategien.

Weiter vorauszublicken, gleiche indes dem Lesen in der Glaskugel, so Schneider. Interbros hänge wie alle Unternehmen mit einem großen Exportanteil am Weltmarkt, „so dass für uns jeder Tag eine dramatische Wendung bedeuten kann“. Gleichwohl hofft man bei Interbros, dass in der Krise auch eine Chance steckt. Global sourcing – insbesondere für kritische Produkte wie Pharmawirkstoffe – und die damit verbundene Abhängigkeit von einzelnen Ländern oder Lieferanten werde sicherlich überdacht werden müssen, so die Meinung Michael Schneiders.

Hella

Der Großkonzern Hella, der ein Werk in Wembach und eine Zweigstelle in Atzenbach unterhält, habe sehr früh auf die Krise reagiert, heißt es beim Mutterkonzern in Lippstadt. So habe man bereits im Januar, als die Pandemie in Asien ausgebrochen ist, einen globalen Krisenstab sowie eine „Task Force“ zur Absicherung globaler Lieferketten eingerichtet, berichtet Unternehmenssprecher Markus Richter, und so sei es bisher „gut gelungen, das Unternehmen durch die Krise zu steuern“.

Um die Ausbreitung des Virus zu unterbinden, seien zahlreiche Maßnahmen eingeleitet worden, etwa das Verbot von Dienstreisen, die Schließung von Betriebsrestaurants, häufigeres Mobile Working oder die vorsorgliche häusliche Quarantäne von Rückkehrern aus Risikogebieten.

Nichtsdestotrotz wirke sich die Krise natürlich auch wirtschaftlich auf Hella aus, lässt Richter wissen. Der weltweite Einbruch des Automobilmarkts habe auch massive Auswirkungen auf die Nachfrage nach den Licht- und Elektronikprodukten von Hella. Die Folge: Über alle deutschen Standorte hinweg sind aktuell rund 80 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit, die bis Ende April, möglicherweise auch noch länger gehen werde. In China hingegen fahre das Geschäft gerade wieder hoch. Aktuell sei man dort bei einer Auslastung von etwa 60 Prozent, berichtet Richter. Derzeit bleibe nichts anderes übrig, als von Woche zu Woche zu schauen, wie sich die Situation entwickle.

Richter betont: „Wir haben es aktuell mit einer beispiellosen, weltweiten Krise zu tun, zu deren Bewältigung es keine Blaupause gibt.“ Momentan könne deshalb auch niemand vorhersehen, wie lang diese Krise andauern wird und wie tief die Spuren sein werden, die sie hinterlässt. So schlimm diese Krise auch sei, zugleich setze sie ungeahnte Energien frei, meint Markus Richter. Insbesondere was Themen wie Digitalisierung, Flexibilisierung oder Arbeiten von Zuhause aus angeht, erlebe man gerade einen zusätzlichen Schub. Bei Hella geht man zudem nicht davon aus, dass die globale Vernetzung künftig deutlich zurückgehen wird, denn diese biete vielfältige Vorteile und stelle auch die Wettbewerbsfähigkeit sicher.  

Individuelle Mobilität werde weiter ein großes Thema bleiben. Insofern sei man bei Hella mittel- und langfristig gut aufgestellt. Das gelte insbesondere auch für Standorte wie Wembach und Atzenbach, wo innovative Innenbeleuchtungskonzepte für das Fahrzeug von Morgen entwickelt und herstellt werden, meint Markus Richter.

Zellaerosol

Das Zeller Unternehmen, das kosmetische Produkte, Pharmazeutika, Medizinprodukte und technische Produkte herstellt, arbeitet derzeit trotz der Corona-Krise noch „recht störungsarm“, wie Geschäftsführer Thilo Fessmann mitteilt. Dies gelte sowohl in Bezug auf die Auftragslage, für die Anwesenheit der Mitarbeiter, als auch für die Versorgung mit Verpackungsmaterialien und Rohstoffen. Wenn sich die Konjunktur allerdings weiter abschwächt, werde auch Zellaerosol die Folgen deutlich zu spüren bekommen und entsprechend reagieren müssen, weiß Fessmann.

Zum jetzigen Zeitpunkt könne man noch nicht sagen, wie sich die aktuelle Krise mittel- und langfristig auf das Unternehmen, das sich in einem wirtschaftlichen Nischensegment bewegt, auswirken wird, so der Zellaerosol-Geschäftsführer. Zu vermuten sei indes, dass es eine Ausdünnung in der Branche geben und die Abhängigkeiten zunehmen werden – einerseits, weil Kunden, andererseits weil alternative Bezugsquellen für die Beschaffung von Rohstoffen und Packmaterialien verschwinden könnten.

Fessmann sieht durchaus, dass in der derzeitigen Krise auch eine Chance steckt, gewisse Dinge zu verändern: „Die wirtschaftliche Zukunft gehört unter anderem denjenigen, die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen und handlungsfähig genug sind, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.“

(Weitere Einschätzungen von Unternehmen lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe.)

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