"Plötzlich standen sie selbst in der Schusslinie"
Bischof und Priester seien nach dem Angriff operiert worden und könnten "von Glück sagen, noch am Leben zu sein", sagte Webb. Angst um ihr Leben hatten auch die Einsatzkräfte, die den Verletzten zu Hilfe eilten. Angesichts der aufgebrachten Menge vor der Kirche verschanzten sich die Sanitäter in dem Gotteshaus und trauten sich über Stunden nicht nach draußen, während vor der Tür die zahlenmäßig weit unterlegenen Polizisten ins Visier der Krawallmacher gerieten. "Plötzlich standen sie selbst in der Schusslinie", schilderte Webb. "Aus 50 wurden 500 Leute, für ein paar Stunden war die Lage ziemlich unkontrollierbar."
Mit Ziegelsteinen und Zaunpfählen seien die Beamten attackiert worden, mehrere wurden verletzt, ein Polizist erlitt einen Kieferbruch. 20 Einsatzfahrzeuge wurden beschädigt, zehn sind nicht mehr einsatzbereit. Insgesamt mussten die Rettungsdienste nach eigenen Angaben 30 Patienten behandeln, viele hatten Pfefferspray abbekommen, sieben Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht. Erst mit Verstärkung anrückender Hundertschaften und Spezialeinheiten gewannen die Sicherheitskräfte wieder die Oberhand.
In Australien, wo die Polizei großen Respekt genießt und für ihr striktes Durchgreifen bekannt ist, haben solche Szenen Seltenheitswert. Am Morgen nach der Gewalt-Nacht versprach Webb, dass die Sicherheitsbehörden alle Gewalttäter ermitteln werden. "Alle, die an diesen Ausschreitungen beteiligt waren, können damit rechnen, dass wir an ihre Tür klopfen werden. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber wir werden euch finden und wir werden euch festnehmen."
Der Regierungschef warnt vor Selbstjustiz
Das Chaos von Wakeley wühlt die Millionenmetropole Sydney auch deshalb so auf, weil viele Menschen noch immer unter dem Eindruck des jüngsten Geschehens im Osten der Stadt stehen. In einem Einkaufszentrum hatte ein psychisch kranker Mann am Samstag mit einem Messer auf Passanten eingestochen und sechs Menschen getötet. Umso mehr bemühte sich Australiens Premierminister Anthony Albanese nun darum, die Wogen zu glätten.
Dass die Menschen verunsichert und besorgt seien, könne er angesichts der jüngsten Ereignisse gut verstehen. "Aber es ist inakzeptabel, Polizisten an ihrer Arbeit zu hindern und zu verletzen." Der Regierungschef von New South Wales, Chris Minns, sagte dem Radiosender 2GB Sydney, er ziehe angesichts der Vorfälle eine weitere Verschärfung der Regeln zum Besitz von Messern in Erwägung.
Die assyrische Gemeinde in Aufruhr, Sicherheitskräfte in Not - und auch eine andere Gruppe fühlte sich in dieser Nacht bedroht: die muslimische Minderheit. Religiöse Einrichtungen im Westen Sydneys seien aus Furcht vor Racheakten vorsichtshalber "von hunderten, wenn nicht tausenden Polizisten gesichert worden", sagte der Regierungschef von New South Wales, Chris Minns.
Der Imam der Moschee im Stadtteil Lakemba berichtete, nach dem Angriff auf den Bischof sei mit einem Brandbombenanschlag auf das islamische Gotteshaus gedroht worden. "Ich bin besorgt, dass das als ein muslimisches Problem behandelt wird", wurde Dschamal-Ud-Din El-Kiki in australischen Medien zitiert. "Es geht aber um einen Teenager mit einem Messer, der sich entschlossen hat, eine fürchterliche Tat zu begehen."