Doch gegen die gefürchteten russischen Gleitbomben hat die ukrainische Seite trotz verkündeter Abschüsse russischer Flugzeuge bisher kein Mittel gefunden. Aus einer Entfernung von 60 Kilometern von der Front, neuere Modelle angeblich sogar von 90 Kilometern, werden mit Flügeln ausgestattete Bomben von russischen Kampfflugzeugen fern von der ukrainischen Flugabwehr abgeworfen und gleiten zu ihrem Ziel.
Über 100 Bomben dieser Art mit einem Gewicht von 250, 500 oder mehr Kilogramm sollen nach ukrainischer Zählung täglich mit verheerender Wirkung auf ukrainische Stellungen fallen. Trotz der laut Berichten nicht sehr hohen Präzision werden durch die Detonationen Soldaten in einem größeren Umkreis kampfunfähig gemacht. Ausgebaute Befestigungen werden komplett zerstört.
Luftverteidigungssysteme werden für Infrastruktur gebraucht
Ein Gegenmittel wären mehr Patriot-Flugabwehrsysteme, die mit ihrer Reichweite russische Flugzeuge auf Abstand halten könnten. Doch benötigt Kiew gerade die drei vorhandenen Systeme dringend, um die eigene Rüstungsproduktion und Infrastruktur vor russischen Raketenangriffen zu schützen.
Aufgrund der geringen Zahl an weitreichenden Flugabwehrsystemen, die auch ballistische Raketen abschießen können, sind russische Raketenschläge im ukrainischen Hinterland immer wieder erfolgreich. Seit Mitte März wurden mehrere Wärmekraftwerke und mindestens ein Wasserkraftwerk zumindest stark beschädigt. Für den Sommer wird bereits vor größeren Stromabschaltungen gewarnt.
Zusätzlich zu der waffentechnischen russischen Überlegenheit macht sich auch ein Mangel an Soldaten auf ukrainischer Seite immer stärker bemerkbar. Berichten nach weicht die Ist-Stärke ukrainischer Brigaden immer mehr von ihren Soll-Stärken ab. Ein großer Teil soll aufgrund starker Verluste nur noch gut die Hälfte der Mannschaften haben. Für den Rest des Jahres erwarten Militärs und Beobachter stärkere Rückschläge für die ukrainischen Verteidiger. Selbst von einem Rückzug bis an den Fluss Dnipro ist bereits die Rede.
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte die europäischen Staaten zur schnellen Lieferung von weiteren Luftabwehrsystemen auf. "Wir haben Patriots. Wir haben Anti-Raketen-Systeme", sagte der Spanier am Donnerstag beim Treffen der Außenminister der G7-Gruppe auf Capri. Und: "Wir müssen sie aus unseren Kasernen holen, wo sie sich befinden und sie in die Ukraine schicken, wo der Krieg tobt."