Israel mobilisiert weitere Reservisten
Vor einem möglichen Einsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen mobilisierte die israelische Armee zwei weitere Reservebrigaden. Diese sollten "defensive und taktische Einsätze im Gazastreifen" übernehmen, teilte das Militär mit. Die Brigaden seien zuvor an Israels Grenze zum Libanon eingesetzt worden. In den letzten Wochen hätten sie aber für Operationen im Gazastreifen trainiert.
"Die Soldaten haben Kampftechniken geübt und die wichtigsten Einsichten und Lehren aus den bisherigen Kämpfen und dem Bodenmanöver im Gazastreifen gelernt", hieß es weiter in der Mitteilung. Berichten zufolge rückt eine Bodenoffensive in Rafah näher. Die dort vor den Kämpfen Schutz suchenden Hunderttausenden Zivilisten sollen zuvor evakuiert werden.
Zu Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als sechseinhalb Monaten hatte Israel rund 300.000 Reservisten mobilisiert. Die meisten davon wurden jedoch inzwischen wieder entlassen. Zuletzt waren vor allem aktive Truppen im Gazastreifen eingesetzt worden. Israel veröffentlicht seine Truppenstärke nicht, eine Brigade besteht jedoch üblicherweise aus mehreren Tausend Soldaten.
UN: Anzeichen für bevorstehende Hungersnot
Im Gazastreifen droht in nächster Zukunft eine Hungersnot, wenn nicht massiv mehr Nahrungsmittel verteilt werden - davor warnt der Direktor des Genfer Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Gian Carlo Cirri. "Die Situation ist extrem besorgniserregend", sagte er bei der Vorstellung eines Berichts über die Hungerkrisen der Welt in Genf. "Wir kommen einer Hungersnot jeden Tag näher." Er erinnerte an bereits veröffentlichte Einschätzungen, dass ein Drittel der Kinder im Gazastreifen unter zwei Jahren akut unterernährt sind.
"Es gibt hinreichende Anzeichen dafür, dass alle drei Schwellenwerte für eine Hungersnot - Ernährungsunsicherheit, Unterernährung und Sterblichkeit - in den nächsten sechs Wochen überschritten werden", sagte Cirri. Menschen äßen teils Tierfutter, um zu überleben. Eine Hungersnot könne nur abgewendet werden, wenn es sofort deutlich aufgestockte und anhaltende Nahrungsmittellieferungen gebe.
EU-Kommissar fordert Unterstützung für UNRWA
Der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic rief angesichts der katastrophalen Lage der Menschen in Gaza dazu auf, das umstrittene Palästinenserhilfswerk UNRWA zu unterstützen. "Ich rufe die Geberländer auf, das UNRWA zu unterstützen - die Lebensader für die palästinensischen Geflüchtete", schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter). Er begrüßte den am Vortag veröffentlichten Untersuchungsbericht über das UNRWA, da dieser "die zahlreichen Systeme des Hilfswerks zur Einhaltung der Vorschriften sowie die Empfehlungen für deren weitere Verbesserung" hervorhebe.
UNRWA war im Januar in die Schlagzeilen geraten, weil Israel behauptete, zwölf Mitarbeiter seien in das Massaker der Hamas vom 7. Oktober verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert. Einige der wichtigsten Geldgeber, darunter Deutschland, setzten Zahlungen daraufhin vorübergehend aus. Die USA nehmen die Zahlungen noch nicht wieder auf.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, sagte, die Finanzierung des UNRWA bleibe "natürlich noch immer ausgesetzt. Wir müssen hier echte Fortschritte sehen, bevor sich das ändert." Die USA würden weiter mit anderen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Menschen nötige Unterstützung erhielten.
Pentagon: Bau temporären Gaza-Hafens beginnt bald
Die US-Regierung hatte im März angekündigt, angesichts der humanitären Notlage im Gazastreifen einen temporären Hafen vor der Küste einrichten zu wollen, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. "Wir sind in der Lage, sehr bald mit dem Bau zu beginnen", sagte Pentagon-Sprecher Ryder. "Alle erforderlichen Schiffe befinden sich im Mittelmeerraum".
Die USA hatten angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen kürzlich ihren Verbündeten Israel zur raschen Ausweitung der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung aufgefordert. Inzwischen habe Israel "bedeutende Schritte" unternommen, um den Fluss von Hilfen zu verbessern, sagte der US-Sonderbeauftragte für humanitäre Fragen, Satterfield. Es müsse aber noch mehr getan werden. Es bestehe immer noch die Gefahr einer Hungersnot im Norden Gazas, hieß es.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive, beginnend im Norden des Gazastreifens. Später verlagerten sich die Kämpfe Richtung Süden. Inzwischen hätten sich Hamas-Kämpfer im Norden jedoch in kleineren Einheiten neu gruppiert und seien zu Guerilla-Taktiken übergegangen, berichtete das "Wall Street Journal".
Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage in Gaza geriet Israel international in die Kritik. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Gaza-Kriegs bisher 34.183 Menschen in dem Küstenstreifen getötet und mehr als 77.000 weitere verletzt worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.