Basel Wo gefährliche Altlasten im Boden lauern

Michael Werndorff
Das brachliegende Chemiegelände „Klybeck“ soll zu einem neuen Stadtquartier umgebaut werden Foto: BASF

Die krebserregende Altlast Benzidin wurde in Basel schon 2015 nachgewiesen. Große Beachtung wurde dem Fund damals aber nicht geschenkt, kritisieren die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Sie fordern eingehende Untersuchungen.

Das Industrieareal Klybeck ist die Wiege der Basler Chemie – dort soll aus dem ehemaligen Industrieareal ein neues Stadtquartier werden. Derweil sorgt ein teils hochgiftiges Erbe für Probleme bei der Quartiersentwicklung: Jetzt wurde bekannt, dass im Klybeck-Areal bereits 2015 Benzidin gefunden wurde.

Auf dem Areal 3 im Klybeck sollen noch größere Mengen der Blasenkrebs verursachenden Substanz im Erdreich schlummern. Davor warnen Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (Aefu) in einer Medienmitteilung vom Montag.

Immer wieder thematisiert

Dem Verein zufolge, der in der Vergangenheit immer wieder die Altlasten der Chemie- und Farbindustrie aufmerksam gemacht hat, schenkten die Zuständigen dem damaligen Benzidinfund offenbar keine größere Beachtung. Der Verein zitiert den Bericht des Geotechnischen Instituts mit dem Titel „Werk Klybeck, Areal 3 BASF: Ergänzende Technische Untersuchung“.

In einer Probe wies das Labor 30 Mikrogramm Benzidin pro Kilogramm Boden nach. Die Probe stammt aus einer Messstelle im Boden von Bau K-328 und wurde in einer Tiefe von rund fünf Metern aus Auffüllmaterial entnommen. Dies, obwohl – soweit ersichtlich – nur gerade vier von 315 Feststoff-Proben überhaupt auf Benzidin analysiert worden waren, erklären die Ärzte für Umweltschutz.

Keine größere Erwähnung

Dass der Fund der Hochrisikosubstanz keine größere Erwähnung im Bericht fand, sei bemerkenswert, schreibt Aefu. Denn: Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) habe kurz zuvor im August 2015 erstmals einen extrem niedrigen Grenzwert für Benzidin veröffentlicht, und zwar 1,5 Nanogramm pro Liter Grundwasser. „Das ist damals der tiefste Grenzwert im Kontext der Altlastenverordnung. Ist er überschritten, muss saniert werden. Damit war klar: Benzidin ist eine Hochrisikosubstanz.“ Trotzdem scheint das Geotechnische Institut rund drei Monate später das Risiko von Benzidin nicht einschätzen zu können, schreiben die Mediziner. Denn das GI erwähne im Bericht vom November 2015 den Benzidin-Fund nicht ausdrücklich: Es seien unter anderem „Aniline“ in der Probe gefunden worden, schreibe das GI allgemein an einer Stelle. An einer anderen nenne es die Substanz N-Ethylanilin, die in derselben Probe wie das Benzidin nachgewiesen wurde.

Auch andere Verbindungen

Bei den Untersuchungen im Jahr 2015 kam auch die Benzidin-Verbindung Dichlorbenzidin zum Vorschein. Auch darauf sei das GI im Bericht nicht ausdrücklich eingegangen, moniert der Verein. Eine Ursache der Bodenbelastung: Abwasserrohre waren undicht, sodass sich giftige Substanzen im Erdreich anlagerten.

Gefährliche Arbeit

Wie risikobehaftet die chemischen Verbindungen sind, weiß Hans Georg Heimann vom Verein für Industrie- und Migrationsgeschichte. „Nur wenige Arbeiter sind älter als 60 Jahre geworden. Aromatische Amine wie Anilin oder Benzidin, mit denen die Angestellten bei der Farbherstellung in Kontakt kamen, haben oft zu Blasenkrebs geführt“, blickt er zurück. „Man hatte es in der Produktion eigentlich ständig mit gefährlichen Situationen zu tun“, berichtet er über den Arbeitsalltag in der Farbherstellung im Rahmen einer Ausstellung rund um die chemische Industrie in Basel. Mehr als 100 Jahre lang wurden auf dem Areal synthetische Farbstoffe, chemische und später pharmazeutische Produkte hergestellt, weiterverarbeitet, abgefüllt und gelagert.

Auf diesem Gebiet sollen zukünftig bis zu 8500 Menschen wohnen und bis zu 7500 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Weichen wurden bereits vor einigen Jahren gestellt, als die früheren Besitzer Novartis und BASF eine Planungsvereinbarung mit dem Kanton abschlossen. Im Jahr 2019 verkauften die beiden Unternehmen ihre Areale aber an die Immobilienentwickler Rhystadt AG und Swiss Life.

Zwischennutzungen

Mittlerweile beleben Zwischennutzungen das Gelände, insgesamt geht es mit der Umnutzung aber nur schleppend voran – besagte Altlasten sorgen immer wieder für böse Überraschungen. So hätte einst der Bau K-90 mit seinem prägnanten Stahlskelett das Wahrzeichen des neuen Stadtteils werden sollen. Allerdings wurden in der ehemaligen Farbenfabrik Schadstoffe entdeckt, weshalb Swiss Life das Gebäude für Zwischennutzungen gesperrt hat.

Wie es mit der Umnutzung weitergeht, hängt von weiteren Untersuchungen ab: Teil der Arbeiten für die Nutzungsplanung des Konzepts Klybeckplus sei die Abklärung, inwieweit die Gebäude, die als schutzwürdig beurteilt wurden, auch tatsächlich erhalten werden können. Aus diesem Grund würden bei allen Gebäuden vertiefte Untersuchungen zu einer möglichen Schadstoffbelastung unternommen.

Schlechte Noten

AeFu-Geschäftsführer und Altlasten-Experte Martin Forter hatte dem Kanton in der Vergangenheit bereits schlechte Noten im Umgang mit Altlasten ausgestellt. In einer Studie beschrieb er, wie Basel, Novartis, Syngenta und BASF über Jahre hinweg das Problem von Schadstoffrückständen auf den Arealen Klybeck und Rosental vernachlässigt hätten. Derweil erklärten Kanton und Unternehmen, dass alle Altlasten abgeklärt worden seien.

Untersuchung gefordert

Jetzt fordert der Verein eine systematische Untersuchung des Bodens, der Bodenluft und des Grundwassers im Klybeck auf Benzidin und andere hochproblematische Substanzen. Besagte Schadstoffe müssten unter anderem auch entlang der undichten Abwasserleitungen gesucht werden. Denn: „Wohnen und Benzidin, das geht gar nicht.“

Informationen zum Stadtentwicklungskonzept gibt es unter www.klybeckplus.ch.

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