Grundsätzliche Ablehnung ist daher vielerorts unwahrscheinlich. Auch in Stuttgart, das allein schon wegen seiner Stellung als Landeshauptstadt als möglicher zweiter Standort gilt, reagiert die Verwaltung zurückhaltend. „Wenn das Land das Ansinnen einer zweiten Lea an uns heranträgt, denken wir darüber nach“, sagt der stellvertretende Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Voraussetzung sei aber, dass eine solche Unterkunft nicht zusätzlich sei, sondern andere Plätze ersetze. Eine große Unterkunft wie in Karlsruhe kann Spatz sich allerdings nicht vorstellen: „Dafür braucht es erst einmal eine entsprechende Fläche.“
Mit dem Suchlauf ist es aus Sicht der Landesregierung nicht getan. Auch der Bund sei jetzt am Zug, betont das Integrationsministerium. Dort müssten die Grundlagen geschaffen werden, um die Leistungen und das Verfahren für Asylbewerber neu zu regeln. Dann könnten diese beispielsweise schneller eine Arbeit aufnehmen als bisher. Ferner sei der Bund gefordert, „die Asylverfahren deutlich zu verkürzen und sein Personal hierfür aufzustocken“, sagt Ekinci.
Schnellere Verfahren könnten einige Unterbringungsprobleme lösen. Und das nicht nur in Karlsruhe. Dort können Flüchtlinge eigentlich bis zu drei Monate bleiben. Derzeit versucht man, sie möglichst nach vier Wochen an die Landkreise und Städte zu übergeben – um Platz zu schaffen. Das Problem setzt sich überall fort. Landauf, landab stöhnen die Kommunen, weil sie ständig neue Unterkünfte schaffen müssen.
Das führt zu teils kuriosen Situationen. In Böblingen etwa sind 28 Menschen aus Mazedonien und Serbien, vorwiegend Roma, in einem Trakt eines Personalwohnheims eines Krankenhaus einquartiert worden. „Wir suchen händeringend nach Möglichkeiten und wollen die Menschen ja auch auf humane Weise unterbringen“, sagt eine Sprecherin des Landkreises. Und: „Die Situation ist wirklich angespannt.“
In Stuttgart leben derzeit 1700 Flüchtlinge – im Lauf des Jahres müssen 1300 zusätzliche Plätze geschaffen werden. „Unter größten Anstrengungen“, betont Stefan Spatz vom Sozialamt. Ab und an auch unter Widerstand. Nicht nur im Stuttgarter Stadtbezirk Feuerbach gehen manche Anwohner gegen neue Standorte für Flüchtlingsunterkünfte auf die Barrikaden. Auch anderswo ist die Lage angespannt: In mancher Unterkunft brodelt es ebenso. Räumliche Enge, lange Verfahren und eine unsichere Zukunft bilden kein vorteilhaftes Gemenge. Immer häufiger wird zudem von wachsender Kriminalität berichtet. „Wir sind Deutschland dankbar für die Hilfe, aber Plätze wie dieser sind nicht gut“, sagt etwa ein afghanischer Flüchtling in einer Unterkunft in Kirchheim/Teck.
Vor Reibereien ist man auch in der Karlsruher Lea nicht gefeit. Das müsse nicht immer mit der Enge zusammenhängen, sagt Abteilungsleiter Garhöfer: „Wir haben hier eben zum Großteil junge Männer.“ Insgesamt sei die Lage jedoch „eher ruhig“, was auch an den Vorsichtsmaßnahmen liege: „Wir versuchen, verschiedene Nationalitäten getrennt unterzubringen, wenn Konflikte absehbar sind.“
An diesem Tag gibt es keinen Ärger. Der Regen ist abgeklungen, die Bewohner zieht es ins Freie. Die unterschiedlichsten Nationalitäten, Religionen und Hautfarben versammeln sich da. Es gibt eine Kantine, ein kleines Taschengeld, eine Untersuchung durch Mitarbeiter des Gesundheitsamts und eine Sozialbetreuung. Im Kindergarten kommen nicht nur kleine Kinder unter, sondern alle Minderjährigen – weil es für die kurze Zeit auf dem Gelände keine Schule gibt. Fotos vom letzten Zoobesuch hängen an der Wand. „Wir haben derzeit 70 Mädchen und Jungen“, erzählt Dharshan Ibrahim, die seit 18 Jahren in dem Kindergarten arbeitet. Gesprochen wird konsequent Deutsch, dazu stehen Spiele und Sport auf dem Programm. Viele ehrenamtliche Helfer machen das erst möglich.
Durch die Pforte kommt eine Familie aus Afrika. Neuankömmlinge. Einen einzigen Koffer zieht der Vater für sich, seine Frau und die drei Kinder hinter sich her. „Wir sind froh, dass wir hier sind“, sagt er in gebrochenem Französisch. Die Müdigkeit steht ihm ins Gesicht geschrieben. Das Wetter, das Gewerbegebiet, die Autobahn – egal. In diesem Moment überwiegt die Hoffnung auf ein neues Leben in Baden-Württemberg.