Kandern Eine Schreinerei mit Weitblick

Kathryn Babeck
Eine Schreinerei mit Weitblick geht in neue Hände über: Ingo Benz (von links) mit Jonas Bockelmann und Felix Müller. Foto: Kathryn Babeck

Die Schreinerei Ingo Benz ist ein Kanderner Familienbetrieb mit fast 100-jähriger Tradition. Jetzt hat der Schreinermeister das Heft an zwei Mitarbeiter übergeben.

Drei Männer sitzen an einem kleinen Tisch mit Eckbank. Von den Wänden geht ein angenehmer Geruch aus. Eine Küche aus Holz ist in den kleinen Raum eingepasst. Im Sommer kann die Küche ins Freie verlegt werden. Das Tiny-Haus steht auf Rädern. Auf dem Dach ist eine Fotovoltaik-Anlage und sorgt für den notwendigen Strom. Eine Holzveranda führt in den angelegten Garten.

Ingo Benz (59 Jahre) produziert mit seinen Kollegen Jonas Bockelmann (26 Jahre) und Felix Müller (29 Jahre) seit 2022 solche Tiny-Häuser. Die Nachfrage nach diesen kompakten Wohneinheiten steige, erzählt Benz, es sei jedoch zuweilen schwierig dafür eine Baugenehmigung zu bekommen. Eines habe er bereits nach Karlsruhe und ein anderes nach Herborn geliefert. Der Kubus ist aus Weißtanne, die Möbel aus heimischer Kirsche, fügt er hinzu. Holz habe einen starken Eigengeruch. Und: „Der Plastikanteil tendiert gegen Null“. Weitere Vorzüge bringt Benz folgendermaßen auf den Punkt: „Der Holzbau ist komplett atmungsaktiv.“ Zu den vielen aktuellen Bauten und verwendeten Materialien sagt er: „In was für Hüllen Menschen leben müssen, ist wahnsinnig.“

Einst eine Wagnerei

Mit 27 Jahren hat Ingo Benz den einstigen Wagnerei-Betrieb von seinem Großvater sowie Vater übernommen und eine Schreinerei daraus gemacht. Das Unternehmen kann auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken. Nun hat er Bockelmann und Müller das Unternehmen übergeben. Jetzt heißt es nicht mehr „Benz Schreinerei“, sondern es ist eine Kapitalgesellschaft mit mehreren Gesellschaftern und diese firmiert unter dem Titel „Holzmanufaktur Benz GmbH“. Seit 2019 habe es Gespräche gegeben, dass er aufhören wolle, sagt Benz.

Heute arbeiten in der Schreinerei fünf Gesellen und drei Auszubildende. Das Areal, auf dem sich der Betrieb befindet, ist riesig: Fast 800 Quadratmeter ohne Freifläche. Es reicht von der Hammersteiner bis zur Waldeckstraße. Viele verschiedene Funktionsräume sind angelegt.

Die Anfänge gehen auf eine Wagnerei zurück. Foto: zVg

In einem Trocknungsraum mit knapp 50 Grad Wärme werden Bretter auf die Verarbeitung vorbereitet. Eine Hackschnitzelanlage mit den Abfällen der Schreinerei heizt die Räume und eine Fotovoltaik-Anlage liefert den Strom. Zuweilen sogar mehr als sie verbrauchen können, sagt Benz während seine Lachfalten deutlich hervor treten. Auf dem Areal von Kammüller, der einstigen Tonwarenfabrik, hat die Schreinerei zudem ein Massivholzlager. Modernste Technik, wie CAD-Programme und Drei-D-Präsentationen kommen zum Einsatz. Bei den computergesteuerten Maschinen sei die Schreinerei ganz vorne dabei. So verwenden sie eine Maschine, die gleichzeitig fräsen, sägen und bohren könne. Dafür benötigte man früher drei, erläutert Benz den technischen Fortschritt.

Er übergibt einen „gut laufenden Betrieb“, sagt Bockelmann. Eine solche Chance ergebe sich nur einmal im Leben, fügt Müller hinzu. Beide kennen die Schreinerei aus eigener Erfahrung. Sie haben dort selbst gelernt. Bei einer gewissen Betriebsgröße sollte man zu zweit sein, erläutert Benz seine Entscheidung beiden zugleich den Betrieb zu vermachen. Felix Müller und Jonas Bockelmann haben sich für eine klare Aufteilung entschieden: Müller wird für den Kundenkontakt und die Gestaltung zuständig sein. Die Verantwortung für die Produktion und die technischen Zeichnungen hat Bockelmann. Dem Vorsatz von Benz wollen sie treu bleiben: Auf Massivholz setzen und auf Plastik verzichten. Ein bisschen mehr Durchplanen und die Maßaufnahmen digitaler gestalten, vielleicht auf ein „papierloses Büro“ setzen, das sind ihre Pläne für die Zukunft.

Die Nachfolge

Bockelmann stammt ursprünglich aus Dortmund. In der fünften Klasse ist er nach Schopfheim gezogen. Seine Mutter ist Innenarchitektin und Lehrerin an der dortigen Walddorfschule. Mit Innenarchitektur und Schreinerarbeiten sei er aufgewachsen, sagt er. In Freiburg hat er die Meisterschule besucht.

Sein neuer Firmenmitinhaber Müller ist in Lörrach geborgen, hat in Schopfheim und Brombach seine Kindheit verbracht und 20 Jahre in Steinen gelebt. Er stammt aus einer Steinbildhauerfamilie. Sein Vater ist der Künstler Volker Scheurer. „Stein ist hart und kalt“, sagt Müller. Holz habe eine schönere Haptik, Verarbeitungsmöglichkeiten seien größer und auch beim Geruch gebe es größere Variation, deshalb habe er sich für diesen Werkstoff entschieden. In Franken hat er seinen Schreinermeister gemacht.

Benz hat neue Pläne

Benz selbst will wieder verstärkt kunsthandwerklich arbeiten, drechseln und zeichnen. Wie er selbst sagt, fühlt er sich „etwas erschöpft“. Vor rund 35 Jahren war er ein Jahr mit dem Fahrrad auf Tour. Dort habe er gelernt: „Wie unwichtig du selber bist.“

Er habe viel Armut und Leid gesehen, erinnert sich der 59-Jährige. In Ägypten habe ihn die große Gastfreundschaft beeindruckt. Die Menschen, die selber nichts hätten, teilten mit ihm das Essen. Vielleicht hat ihn gerade diese Erfahrung zu veranlasst, schon jetzt sein Lebenswerk in die Hände Jüngerer zu geben.

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