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Kreis Lörrach Ist Altpapier-Gebühr noch angebracht?

Michael Werndorff
Die Altpapierpreise haben sich nach einer Krise im vergangenen Jahr wieder erholt. Foto: Die Oberbadische

Blaue Tonne: Rufe nach Abschaffung der Gebühr werden lauter / Altpapierpreise auf Höhenflug

Kreis Lörrach -  Die Einführung der Gebührenpflicht für die privatwirtschaftlich betriebene Blaue Tonne im vergangenen Jahr hat die Gemüter erhitzt. Nun werden Stimmen laut, die Gebühr wieder abzuschaffen.

„Die Gebührenerhebung aufgrund des zu geringen Abverkaufpreises ist längst überholt“, sagt Susann Schlatterer im Gespräch mit unserer Zeitung. In einem Leserbrief an unsere Zeitung macht sie deutlich, dass dieser Zustand nur einige wenige Monate andauerte und sich die Preise für Altpapier längst wieder erholt hätten.

Rückblick

Im Februar vergangenen Jahres kündigten die Unternehmen Kühl und Remondis an, eine Gebühr für die Altpapiertonne zu erheben: Die Lage auf dem Absatzmarkt für Altpapier zeigte sich damals sehr angespannt. „Das ist ein branchenweites Problem“, verwies Remondis-Pressesprecher Michael Schneider damals auf verschärfte Importbeschränkungen seitens China.

In Europa gab es einen Stau auf dem Absatzmarkt, weshalb das Unternehmen nach eigenen Worten die Altpapierverwertung nicht mehr kostendeckend betreiben konnte. Die Einführung von Gebühren stand deutschlandweit auf der Agenda, sagte Schneider im Gespräch mit unserer Zeitung.

Beide Unternehmen betreiben die Abholung der Papiertonne weiterhin koordiniert: Remondis leert seit dem Jahr 2017 rund um Schopfheim die Blauen Tonnen im südöstlichen Teil des Landkreises. Darunter fallen im Süden die Stadt Rheinfelden, im Westen Steinen sowie im nordöstlichen Bereich die Stadt Zell.

Damals übergab das Unternehmen im restlichen Teil des Landkreises die Tonnen an Kühl. Dieser Entsorger kümmert sich um ein Gebiet, das im Süden bis Grenzach-Wyhlen, im Norden über Efringen-Kirchen bis Schliengen und im Nordosten bis Todtnau reicht, bestätigte Schneider. Auch Weil am Rhein, Lörrach, Kandern und Schönau werden von Kühl angefahren. Eingeführt wurde der Service im Jahr 2008.

Stellungnahmen

Kritik kam damals nicht nur aus der Bürgerschaft, erhitzte Gemüter gab es auch in den Kreistagsfraktionen – unter anderem, weil die Gebühr rückwirkend erhoben werden sollte.

Grünen-Chef Bernd Martin erklärte damals: „An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, dass private Unternehmen es nicht besser können als der Eigenbetrieb des Landkreises. Ganz im Gegenteil: Die Privaten picken sich die Rosinen heraus, und wenn die Erträge daraus nicht so sprudeln, werden die Bürger zur Kasse gebeten.“

Die Alternative einer gebührenpflichtigen Tonne wäre wohl der Rückzug der Unternehmen aus der Papier- und Kartonsammlung mit der Folge, dass diese Abfälle wieder dem Landkreis, über Vereinssammlungen und Recyclinghöfe, angedient werden, erklärte Paul Renz (CDU) im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die dadurch entstehenden Kosten bei der Abfallwirtschaft würden ebenfalls Mehrkosten verursachen und zu einer Erhöhung der Jahresgebühr führen.“

Krise überstanden?

Wirft man einen Blick auf die aktuellen Altpapierpreise, so scheint die Krise längst überwunden. Während im Februar 2020 eine Tonne gemischtes Altpapier mit 27,70 Euro zu Buche schlug, waren es im vergangenen Mai nach einem Höhenflug 179 Euro. „Der Zustand geringer Preise dauerte nur wenige Monate an“, moniert Schlatterer.

Derweil erklärt Remondis-Sprecher Schneider auf Nachfrage unserer Zeitung: „Corona hat zu vielen Verwerfungen am Markt geführt und Preisentwicklungen ergeben, die so nicht absehbar waren. Das trifft auch auf zukünftige Entwicklungen zu. Lange Zeit hatten wir nur eine negative Preisspirale, jetzt schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung. Es ist aber langfristig eine Stabilisierung der Preise zu erwarten.“

Und Kühl erklärt, dass die Gebühr für die Blaue Tonne notwendig sei, um die Dienstleistungen – Behältergestellung, Einsammeln, Transport, Sortieren und Weiterverarbeitung – ordnungsgemäß zu erfüllen und die damit verbundenen Kosten zu einem gewissen Teil zu kompensieren.

Angesichts der Volatilität dürfe der Altpapierpreis nicht zugrundegelegt werden, um die Entsorgungssicherheit nicht zu gefährden, sobald der Preis nachgeben sollte, argumentiert Kühl.

Kühl schweigt

Auf die Frage, ob sich Remondis vorstellen kann, die Gebühr wieder abzuschaffen, erklärt Schneider: „Wir haben von Beginn der Einführung mitgeteilt, dass wir die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls reagieren werden.“ Derweil lässt Kühl die Frage unbeantwortet.

„Bei Kühl wird nicht einmal in Erwägung gezogen, die zusätzlichen Gebühren für die Abholung der Blauen Tonne wieder abzuschaffen“, meint Schlatterer. Kühl mache sich Sorgen, dass der Preis wieder sinken könnte, und verglich in einem Telefonat die Gebühr mit dem Rundfunkbeitrag, ärgert sich unsere Leserin, die sich „als Verbraucherin total veräppelt“ fühlt.

Ob man die Gebühr nicht revidieren könne, wollte CDU-Kreisrat Hans-Peter Volkmer am Mittwoch im Kreis-Betriebsausschuss von Landrätin Marion Dammann wissen. Diese erklärte, dass man die Unternehmen mit diesem Anliegen kontaktiert hätte. „Aber wir können sie natürlich nicht dazu zwingen“, machte die Landrätin deutlich. Die Papiertonne sei privatwirtschaftlich und unabhängig von der Abfallwirtschaft organisiert.

Anschlussquote

Schneider hoffte vergangenes Jahr, dass die Bürger trotz der Gebührenerhebung am Angebot der Papiertonne festhalten werden. Denn: „Altpapier ist ein wichtiger Rohstoff, wenn es darum geht, Klima und Umwelt zu schützen.“ Derzeit zeigt sich die Anschlussquote so hoch wie vor der Einführung, erklärt Remondis.

Die Abmeldungen hätten sich mit den Neubestellungen weitestgehend ausgeglichen. „Nach wie vor haben wir wöchentliche Neubestellung in größerem Umfang“, beschreibt Remondis die aktuelle Lage. Ähnlich äußert sich Kühl. Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei groß. Kühl habe mehr als 20 000 Gefäße im Landkreis aufgestellt, und man erhalte täglich Neubestellungen.

Mengen steigen an

Der Landkreis erfasst die Fraktion Papier/Pappe/Kartonage über die Recyclinghöfe und Vereinssammlungen. Auf den Recyclinghöfen sind die Mengen, vor allem an Kartonage, nach Einführung der Gebühr für die Blaue Tonne angestiegen – je nach Hof zwischen zehn und 25 Prozent, berichtet Pressesprecher Torben Pahl auf Anfrage.

„Die Entwicklung muss längerfristig beobachtet werden, da auch anzunehmen ist, dass das Aufkommen an Kartonagen durch ein geändertes Kaufverhalten zunimmt und sich solche Mengenverschiebungen oft nach einer gewissen Zeit wieder einpendeln.“

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