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Kreis Lörrach Rückwirkende Gebühr ist vom Tisch

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Die rückwirkende Gebühr auf die Leerung der Blauen Tonne ist vom Tisch. Foto: Die Oberbadische

Altpapier: Remondis und Kühl stellen nach Kritik Entsorgungskosten ab zweitem Halbjahr in Rechnung

Kreis Lörrach - Nach lauten Protesten von verärgerten Bürgern sowie Kritik aus den Reihen der Kreistagsfraktionen kündigen die Firmen Kühl und Remondis jetzt an, auf die rückwirkende Erhebung von Gebühren für die Altpapierentsorgung im Landkreis Lörrach zu verzichten. Die privaten Entsorger wollen erst ab Juli Geld für die Leerung der Blauen Tonne verlangen und passen den zu zahlenden Betrag entsprechend an.

Dies bedeutet konkret, dass die Firma Kühl für das 240-Liter-Gefäß 18,76 Euro Gebühr verlangt, anstatt ursprünglich 38,49 Euro. Remondis wird eine Abgabe in Höhe von 21,44 Euro in Rechnung stellen. Geplant waren dort ursprünglich 44 Euro.

Vielstimmige Kritik an Plänen der Entsorger

Die angekündigten Beträge waren von zahlreichen Bürgern, im Kreistag, in Leserbriefen an unsere Zeitung und in den sozialen Medien heftigst kritisiert worden. Zum einen ging es dabei grundsätzlich darum, dass die Altpapierentsorgung künftig extra in Rechnung gestellt werden soll. Zum anderen störte zahlreichen Betroffenen die Tatsache, dass die Firmen die Gebühren rückwirkend für das laufende Jahr erheben wollten: Eine entsprechende Mitteilung mitsamt Zahlungsaufforderung ging erst Ende Mai an die Bürger im Landkreis heraus. In diesem Zusammenhang wurde auch Rechtmäßigkeit des Vorgehens angezweifelt

Auch dass die Kreisverwaltung über den Eigenbetrieb Abfallwirtschaft als öffentliche Einrichtung ein Schreiben mitsamt Einzugsermächtigung im Auftrag der beiden Privatunternehmen versandt hatte, sorgte für Unmut und Kritik.

„Aufgrund coronabedingter Verzögerungen kam es leider dazu, dass die Haushalte im Landkreis Lörrach erst im Mai konkret schriftlich über die Entgelterhebung für 2020 informiert wurden“, begründet die Firma Kühl die späte Benachrichtigung.

Beide Unternehmen weißen in ihrer Mitteilung ausdrücklich darauf hin, dass die Erhebung einer Jahresgebühr unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses grundsätzlich rechtmäßig sei und reagieren damit auf eine Stellungnahme der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu dieser Vorgehensweise.

Rückwirkende Gebühr wurde in Frage gestellt

Im Gespräch mit unserer Zeitung machte Gabriele Bernhardt nach Prüfung des Schreibens des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft deutlich, dass die rückwirkende Erhebung in Frage zu stellen sei. Ein privatrechtliches Unternehmen dürfe nicht so einfach rückwirkend seine Preise verändern.

Anders als bei Kühl lässt Remondis aber durchblicken, dass der Druck aus der Bevölkerung eine Rolle bei ihrem Rückzieher gespielt hat: „Aufgrund der verzögerten Kommunikation an die Bürger und das teilweise geäußerte Unverständnis darüber“ habe man sich entschlossen, das Entgelt nur für das zweite Halbjahr 2020 geltend zu machen.“

Weiter führen die Firmen in ihren Pressemitteilungen die Senkung der Mehrwertsteuer als Grund an, auf die rückwirkende Erhebung der Gebühren zu verzichten.

Da mit Wirkung zum 1. Juli der Mehrwertsteuersatz temporär auf 16 Prozent gesenkt wurde, „haben wir uns dazu entschlossen, einmalig für das Jahr 2020 das Entgelt um 50 Prozent zu reduzieren“, erklärt die Firma Kühl.

Voraussichtlich im Juli würden für die registrierten Papiertonnen Wertmarken verschickt, die auf dem Tonnendeckel geklebt werden müssten, kündigt Remondis an.

Erste Reaktionen aus dem Kreistag

„Die Ankündigung der beiden Entsorgungsunternehmen Kühl und Remondis, nun doch auf ein rückwirkendes Entgelt für die Papiertonne zu verzichten, halte ich aus Kundensicht für einen richtigen und notwendigen Schritt. Es freut mich, dass die nach meiner Meinung großteils berechtigte öffentliche Kritik der vergangenen Wochen zu einem Umdenken bei den beiden privaten Entsorgern in dieser Angelegenheit geführt hat“, kommentierte Landrätin Marion Dammann.

Glücklich zeigten sich auch die Freien Wähler im Kreistag über den Verzicht auf eine rückwirkende Gebühr: „Wir haben deutlich gesagt, dass wir eine rückwirkende Einführung eines Entgelts für die Blaue Tonne nicht für korrekt und rechtmäßig halten. Daher sind wir mit der heutigen Entscheidung zufrieden“, betonte ihr Fraktionsvorsitzender Ulrich May.

Auch die Christdemokraten sehen diese Entscheidung positiv. Der CDU-Kreisfraktionsvorsitzende Paul Renz sieht den Willen der Bürger repräsentiert: „Die rückwirkende Einführung der Leistungsgebühr durch die Unternehmen Kühl und Remondis habe ich sehr kritisch gesehen, auch wenn Kühl in ihrer Presseerklärung die Unternehmensentscheidung nochmals ausdrücklich für gesetzeskonform hält. Der Druck, der unter anderem in Leserbriefen zum Ausdruck gebracht wurde, hat seine Wirkung auf die Unternehmen nicht verfehlt.“

Erfreut ist auch der südbadische FDP-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Kreistags, Christoph Hoffmann. „Das ist eine gute Nachricht, die der Forderung der Freien Demokraten im Kreistag nachkommt. Rückwirkend Gebühren zu erheben, ist grundsätzlich falsch, das wurde nun eingesehen.“

Für Klaus Eberhardt, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, bleibt bei aller Freunde Gesprächsbedarf: „Für uns verbleiben nach wie vor in der Gesamtthematik noch offene Fragen, deren Beantwortung für die öffentliche Sitzung des Betriebsausschusses am 8. Juli in Aussicht gestellt wurde.“

Die Benachrichtigung werde Diskussionen in den Gremien nach sich ziehen, meint auch FDP-Kreisfraktionsvorsitzender Manuel Karcher. Derzeit werde vielerorts die Corona-Krise leider viel zu schnell als Entschuldigungsgrund angeführt.

Die AfD- und Grünen-Fraktionen im Kreistag konnten bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.

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