Im Gespräch mit unserer Zeitung machte Gabriele Bernhardt nach Prüfung des Schreibens des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft deutlich, dass die rückwirkende Erhebung in Frage zu stellen sei. Ein privatrechtliches Unternehmen dürfe nicht so einfach rückwirkend seine Preise verändern.
Anders als bei Kühl lässt Remondis aber durchblicken, dass der Druck aus der Bevölkerung eine Rolle bei ihrem Rückzieher gespielt hat: „Aufgrund der verzögerten Kommunikation an die Bürger und das teilweise geäußerte Unverständnis darüber“ habe man sich entschlossen, das Entgelt nur für das zweite Halbjahr 2020 geltend zu machen.“
Weiter führen die Firmen in ihren Pressemitteilungen die Senkung der Mehrwertsteuer als Grund an, auf die rückwirkende Erhebung der Gebühren zu verzichten.
Da mit Wirkung zum 1. Juli der Mehrwertsteuersatz temporär auf 16 Prozent gesenkt wurde, „haben wir uns dazu entschlossen, einmalig für das Jahr 2020 das Entgelt um 50 Prozent zu reduzieren“, erklärt die Firma Kühl.
Voraussichtlich im Juli würden für die registrierten Papiertonnen Wertmarken verschickt, die auf dem Tonnendeckel geklebt werden müssten, kündigt Remondis an.
Erste Reaktionen aus dem Kreistag
„Die Ankündigung der beiden Entsorgungsunternehmen Kühl und Remondis, nun doch auf ein rückwirkendes Entgelt für die Papiertonne zu verzichten, halte ich aus Kundensicht für einen richtigen und notwendigen Schritt. Es freut mich, dass die nach meiner Meinung großteils berechtigte öffentliche Kritik der vergangenen Wochen zu einem Umdenken bei den beiden privaten Entsorgern in dieser Angelegenheit geführt hat“, kommentierte Landrätin Marion Dammann.
Glücklich zeigten sich auch die Freien Wähler im Kreistag über den Verzicht auf eine rückwirkende Gebühr: „Wir haben deutlich gesagt, dass wir eine rückwirkende Einführung eines Entgelts für die Blaue Tonne nicht für korrekt und rechtmäßig halten. Daher sind wir mit der heutigen Entscheidung zufrieden“, betonte ihr Fraktionsvorsitzender Ulrich May.
Auch die Christdemokraten sehen diese Entscheidung positiv. Der CDU-Kreisfraktionsvorsitzende Paul Renz sieht den Willen der Bürger repräsentiert: „Die rückwirkende Einführung der Leistungsgebühr durch die Unternehmen Kühl und Remondis habe ich sehr kritisch gesehen, auch wenn Kühl in ihrer Presseerklärung die Unternehmensentscheidung nochmals ausdrücklich für gesetzeskonform hält. Der Druck, der unter anderem in Leserbriefen zum Ausdruck gebracht wurde, hat seine Wirkung auf die Unternehmen nicht verfehlt.“
Erfreut ist auch der südbadische FDP-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Kreistags, Christoph Hoffmann. „Das ist eine gute Nachricht, die der Forderung der Freien Demokraten im Kreistag nachkommt. Rückwirkend Gebühren zu erheben, ist grundsätzlich falsch, das wurde nun eingesehen.“
Für Klaus Eberhardt, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, bleibt bei aller Freunde Gesprächsbedarf: „Für uns verbleiben nach wie vor in der Gesamtthematik noch offene Fragen, deren Beantwortung für die öffentliche Sitzung des Betriebsausschusses am 8. Juli in Aussicht gestellt wurde.“
Die Benachrichtigung werde Diskussionen in den Gremien nach sich ziehen, meint auch FDP-Kreisfraktionsvorsitzender Manuel Karcher. Derzeit werde vielerorts die Corona-Krise leider viel zu schnell als Entschuldigungsgrund angeführt.
Die AfD- und Grünen-Fraktionen im Kreistag konnten bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.