Derweil erklärt Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Landesregierung insgesamt gute Arbeit geleistet habe. „Sie hat sich in der Pandemie, die für uns alle die erste war, agil und tatkräftig gezeigt, die Ministerien waren für uns stets ansprechbar, wenn es um die Belange und Sorgen der Wirtschaft ging. Das verdient Anerkennung und deswegen wollen wir auch nicht mit dem Vergrößerungsglas auf Fehler schauen, die es selbstverständlich in den vergangenen zwei Jahren gab.“
Perspektive entscheidend
Entscheidend sei letztlich die Perspektive: Rückschauend wüssten immer viele, was wann hätte getan werden müssen, damit es anders gekommen wäre. Die Landesregierung habe stets mit den richtigen Motiven gehandelt – die Gesundheit der Menschen, allen voran der vulnerablen Gruppen, zu schützen, das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren und dabei die Wirtschaft, das Bildungssystem und den Alltag der Menschen nicht mehr als notwendig einzuschränken. „Dass das nicht immer gelungen ist, und dass den Leidtragenden, den Betroffenen nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wurde, gehört eben auch zur Wahrheit“, macht Marx deutlich.
Positiv bewertet er die differenzierten Corona-Hilfen, Bundes- und Landesprogramme, deren schnelle und unbürokratische Ausreichung, in die auch die IHK eingebunden war, und vor allem das Kurzarbeitergeld. „Diese Hilfen waren für die Unternehmen existenziell wichtig, haben uns vor einer Pleitewelle bewahrt und den Arbeitsmarkt erfolgreich stabil gehalten.“
Hohe Regelungsdichte
Gelitten hätten die Betriebe unter den Corona-Maßnahmen mit ihrer hohen Regelungsdichte, unter der mitunter absurden Regelungskomplexität und unter ihrer Änderungsrate. „Wo kaum mehr klar war, was gerade galt, kam auch die Kundenfrequenz, die jeweils rechtlich noch möglich gewesen wäre, zum Erliegen. Das gilt insbesondere für die grenzüberschreitende Konsumnachfrage“, verweist Marx auf den Einkaufstourismus.
Und wo einzelne Branchen völlig vom Geschäftsverkehr abgeschnitten seien und andere unter strengen 2G-Regelungen leiden würden, während sich im Bereich des täglichen Bedarfes viele hundert Kunden – geimpfte wie ungeimpfte – auf engem Raum begegneten, würden sich nicht nur die Betroffenen fragen, ob das epidemiologisch noch Sinn mache.
Unsicherheit bleibt
Die eingangs von der Dehoga monierte fehlende Planungssicherheit wird uns laut Marx durch die Pandemie und darüber hinaus begleiten. „Tatsächlich kann es eine vollständige Planungssicherheit nicht geben, weil wir nicht wissen, wie sich das Virus verhalten wird.“ Von dieser Unsicherheit seien wieder die kundennahen Branchen besonders betroffen. Sie wüssten nicht, wann sie wieder zu ihrem normalen Geschäftsbetrieb zurückkehren können und für wie lange.
Auf Unverständnis stoßen die kurzfristigen Kurswechsel: „Je kurzfristiger die Kurswechsel, desto höher der Schaden. Wenn etwa von heute auf morgen verkündet wird, dass der Genesenenstatus nur noch für drei statt sechs Monate gültig sei, ist das wenig wirtschaftsfreundlich.“
Alle Branchen im Blick
Den Blick nach vorne richtend, erwarte die IHK von der Landesregierung, dass sie weiterhin alle Branchen im Blick behalte. Der IHK-Hauptgeschäftsführer hofft auf eine vorausschauende Politik, basierend auf den gesammelten Erfahrungen und Erkenntnissen. „Nach zwei Jahren Pandemie können Lockdowns und Teilschließungen keine Lösungen mehr sein. Eine gewisse Krankheitslast müssen wir im Interesse aller betroffenen Bereiche, nicht nur der Wirtschaft, hinnehmen.“ Sie so gering wie möglich zu halten, verlange eine Konzentration auf die Impfkampagne, mit oder ohne Impfpflicht.
Darüber hinaus habe die Pandemie offengelegt, was in unserem Land besser werden müsse. Die Glasfaser- und Mobilfunkversorgung, die Digitalisierung der Schulen, der allgemeinen Verwaltung und des Gesundheitswesens.