Kultur Volkmar Staub blickt zurück

Gabriele Hauger
Volkmar Staub nimmt gemeinsam mit Gerd Baier und Keyboarder Michael Summ das Jahr 2023 unter die Lupe – und das war Hardcore. Foto: Felix Groteloh

Interview Volkmar Staub ist ein kabarettistisches Urgestein. Der Brombacher lebt schon lange in der Hauptstadt Berlin. Doch zu seinem traditionellen „JahresRockblick“ kommt er wieder gerne zurück in die alte Heimat, so am Donnerstag, 11. Januar, in den Lörracher Burghof. Mit dabei: das Badische Sympathie Orchester mit Bassist Gerd Baier und Keyboarder Michael Summ. Es geht ans Eingemachte.

Das Jahr 2023 war Hardcore. Gibt es da überhaupt Grund zu rocken, oder herrscht nicht eher Bluesstimmung?

Es war unter vielen Aspekten echt ein hartes Jahr. Wir rocken das einfach weg.

Das klingt zuversichtlich. Jedes Jahr hat natürlich seine Dramen. Würden Sie aber sagen, dass 2023 besonders krass war?

Es war eines der härtesten. Allein die beiden Kriege in der Ukraine und in Nahost! Wir wagen uns aber auch an diese Themen heran, denn ein Kabarettabend kann ja nicht nur lustig sein!

Wie gehen Sie mit dem Thema Krieg um?

Wir diskutieren viel untereinander. Sind auch nicht immer sofort gleicher Meinung. Für mich war der Terroranschlag der Hamas eindeutig das erschütterndste Thema. In meinem Solo-Programm, das ich seit September spiele, habe ich zunächst vor dem Publikum gesagt, dass man darüber nur schweigen kann. Für den JahresRockblick habe ich einen Dreh gefunden, wie wir doch darüber reden können.

Bei welchen Ereignissen im Jahr haben Sie sich denn aus kabarettistischer Sicht die Hände gerieben?

Da gibt es mehrere. Zum Glück! Beim Publikum kommt ganz besonders gut unser China-Rap an. Dort boomt diese Musikrichtung derzeit, sogar vom Staat gefördert. Wir spielen einen Song von einem chinesischen Rapper auf Deutsch – natürlich ist alles erstunken und erlogen! Da geht’s um Wirtschaftskonkurrenz, Sitten und Gebräuche – mehr will ich nicht verraten. Natürlich hält auch Winnetou wieder eine flammende Rede an seine „roten Brüder“. Und das ganze Ampel-Gehampel wird genüsslich auseinandergenommen. Wir haben außerdem einen wunderschönen Wärmepumpen-Blues im Programm. Unsere beiden Musiker haben wieder super mitgearbeitet und Michael Summ sensationell komponiert, sehr einfühlsam und rockig.

Also eine große Bandbreite?

Es geht um die aktuelle deutsche Politik. Da schürfen wir auch manchmal etwas tiefer, zum Beispiel bei der neuen Flüchtlingspolitik der EU. Da haben wir erstmals ein Stück aus dem vergangenen Jahr wiederholt: den Fischfutter-Song. Wir wollen ja eigentlich jedes Jahr nur neue Lieder präsentieren. Den werden wir angesichts der Dramatik jetzt aber so lange spielen, bis sich die Flüchtlingspolitik der EU ändert. Da haben wir uns ganz schön was vorgenommen.

Wie lange aktualisieren Sie am Programm?

Wir feilen bis zum Schluss. Im Vorfeld schreibe ich die meisten Texte und schicke sie den Musikern, die sie umsetzen. Ausgearbeitet wird das Programm beim gemeinsamen Treffen etwa ein, zwei Monate vor Tourneestart. Und da wird heiß diskutiert. Wenn es sein muss, aktualisiere ich aber auch während der Tournee.

Wie weit reicht die Thematik des Programms?

Das geht von gesamtgesellschaftlichen Trends über die Deutschland- und Weltpolitik bis hin zu den neuen geostrategischen Verschiebungen. Henry Kissingers 100. Geburtstag wird auch gefeiert. Er darf bei uns noch mal aufleben. Natürlich beleuchten wir auch die aktuellen Umfrage-Ergebnisse zur AfD. Und ich habe tatsächlich einen 40 Jahre alten Song wieder ausgegraben. Der geht ums Klima, wie sich durch die Erderwärmung alles verändert. Es ist Wahnsinn, dass man vor 40 Jahre schon genau wusste, was passieren wird. Das ist das große Problem der Wissenschaftsfeindlichkeit! Denn die Experten haben vor allem gewarnt. Wir sind nur zu blöd, rechtzeitig zu reagieren.

Verzweifelt man als Kabarettist nicht zuweilen daran, dass die meisten im Publikum sowieso kritische und reflektierte Geister sind? Dass man also diejenigen, die man eigentlich aufklären will, gar nicht erreicht?

Das Problem kennen wir schon ewig. Wollen würde ich natürlich schon. Aber ich habe den Anspruch, eine Bewusstseinsänderung erreichen zu können, inzwischen weitgehend aufgegeben. Mit Kabarett erreicht man zumeist Leute aus einem ähnlichen politischen Lager und bestärkt diese in ihrer Einstellung. Einen AfD-ler werden wir damit wohl nicht ändern können.

Verzweifeln Sie zuweilen an der Welt?

Das könnte man manchmal tatsächlich. Ich sehe für die Zukunft ziemlich schwarz. Privat allerdings geht es mir sehr gut. Für meine Restlaufzeit habe ich keine Angst. Im Programm soll mein prinzipieller Pessimismus natürlich nicht zu stark herauskommen, es soll schließlich was zu lachen geben. Grundsätzlich sollte man als Kabarettist aus dem Elend der Weltgeschichte gute Unterhaltung machen. Dabei darf es trotzdem mal ein ruhiges und nachdenkliches Innehalten geben.

Wollen Sie auch weiterhin auf der Bühne stehen?

Je älter ich werde, desto mehr Lust habe ich, Kabarett zu machen. Die Lust an der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, an der Suche nach Formulierungen und Versuchen, die Welt zu filtern, in der Hoffnung, intelligente und witzige Texte zu produzieren – das alles nimmt bei mir eher zu.

War der Kabarettist Staub vor 40 Jahren ein anderer?

Ich hoffe doch, ich habe mich weiterentwickelt. Vor 40 Jahren war ich sicher radikaler und bornierter. Meine Betrachtung der Welt ist wohl etwas gelassener, aber auch präziser geworden.

Zur Info

Volmar Staub
war nach Anfängen als Liedermacher Mitgründer und Mitglied des legendären Freiburger Anarcho-Szenekabaretts „Riebyse und Buurepunk“. Daneben hat er im Jahre 1985 in Freiburg zusammen mit Matthias Deutschmann einige Monatsrückblicke unter dem Titel „Nachschlag“ auf die Bühne gebracht. Seit 1987 hat Volkmar Staub verschiedene Solo-Programme geschrieben und gespielt. 16 Jahre lang, von 2003 bis 2019, tourte er mit Florian Schroeder immer zum Jahresende mit „ZUGABE“ durch die Republik. Zum Jahreswechsel ist er immer im Dezember und Januar mit seinem JahresRockblick unterwegs.

Termine
Donnerstag, 11. Januar, 20 Uhr, Burghof Lörrach; Freitag, 12. Januar, Kumedi, Riegel; Samstag, 13. Januar, Vorderhaus, Freiburg

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