Lörrach - Subtil oder offensiv: Sexueller Missbrauch hat viele Gesichter. Angesichts der aktuellen MeToo-Debatte rückt dieses Thema zunehmend in den Fokus. Aufgrund der konkreten Belästigung einer jungen Lörracherin gingen wir dem Fall nach und beleuchten ihn aus verschiedenen Perspektiven.
30 Fälle gleichzeitig hat die Lörracher Kriminalhauptkommissarin neben der Anzeige von Marie* derzeit zu bearbeiten. „Die Zahlen steigen. Das liegt sicherlich auch an der – durchaus positiv zu bewertenden – zunehmenden Bereitschaft der Opfer, solche Übergriffe zur Anzeige zu bringen“, meint ihr Vorgesetzter Klaus Klotz, stellvertretender Leiter des Kriminalkommissariats Lörrach. Trotz dieser Belastung: „Wir gehen jedem Fall nach und ermitteln mit aller Sorgfalt. Wir lassen die Opfer nicht allein.“ Indes müsse in jedem Fall sorgfältig geprüft, ermittelt und befragt werden – das koste Zeit.
„Wir sind personell auf Kante genäht“
„Wir sind Brennpunktpolizei, personell auf Kante genäht“, ergänzt Dietmar Ernst, Pressesprecher der Polizei. Der starke Anstieg an Sexualdelikten, besonders auch aktuell im Bereich Kinderpornografie, binde viele Kräfte. Ebenso die Bekämpfung der Einbruchskriminalität, die die Beamten in besonderem Maße beschäftigt und einen polizeilichen Schwerpunkt bildet. Daher müsse bei allen angezeigten Fällen eine Priorisierung vorgenommen werden. Was bedeutet: Die schwerwiegendsten Fälle wie beispielsweise Vergewaltigung haben Vorrang vor Anzeigen wegen sexueller Beleidigung oder Belästigung.
Im Fall „Marie“ sei alles ordnungsgemäß in die Wege geleitet worden, betont Kriminalhauptkommissar Klotz. Die deutschen Behörden können keinen beziehungsweise wenig Einfluss auf die Anzeigenbearbeitung der französischen Kollegen nehmen, da dort ein anderes Rechtssystem herrsche, das die Rolle der Polizei beschränke und die der Staatsanwaltschaft in den Vordergrund rücke. „Da liegt so ein Fall schon mal lange auf dem Schreibtisch“, wissen die Beamten aus leidiger Erfahrung. Vor Ort in Frankreich kann die deutsche Polizei nicht selbst aktiv werden. Unverzüglich seien jedoch alle Informationen zu dem Fall ins Nachbarland weitergeleitet worden.
Auf die Kritik des Opfers „Marie“, die Polizei werde nicht aktiv, angesprochen, erklärt er, dass es wohl Probleme bei der zwischenmenschlichen Kommunikation von Polizei und der Betroffenen gegeben habe. „Wer Opfer sexueller Gewalt wird, wünscht sich natürlich eine intensive, zeitaufwendige Betreuung mit regelmäßigen Rückmeldungen über den Stand der Ermittlungen. Leider können wir das nicht leisten. Auch wenn wir uns mehr Zeit für die Betroffenen wünschen würden“, bedauert Klotz. „In Deutschland wäre der Fall im übrigen schon längst abgeschlossen, wenn auch mit unsicherem Ausgang.“