Deutschland warnt vor Folgen für Zivilbevölkerung in Rafah
Die Bundesregierung bekräftigte am Montag Warnungen vor den Folgen eines großen Militäreinsatzes in Rafah. In dem Gebiet hielten sich mehr als eine Million Menschen auf, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Sie forderte: "Diese Menschen brauchen Schutz. Sie brauchen natürlich humanitäre Unterstützung. Und die Bundesregierung und auch die Außenministerin haben bereits in Vergangenheit wiederholt gesagt, dass eine großangelegte Bodenoffensive auf Rafah eine humanitäre Katastrophe wäre, und zwar eine humanitäre Katastrophe mit Ansage."
Zugleich verurteilte die Sprecherin fortgesetzte Angriffe der Hamas auf Israel aus dem Gazastreifen. Mitglieder des militärischen Hamas-Arms hatten am Sonntag Raketen auf den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom, der sich nicht weit von Rafah entfernt befindet, gefeuert und dabei vier israelische Soldaten getötet. Kerem Schalom, wichtigster Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen, wurde daraufhin vorerst geschlossen.
Auch die Vereinten Nationen warnten Israel vor der Militäroffensive. "Jede Eskalation der Feindseligkeiten infolge eines groß angelegten Einmarsches in Rafah wird die Bewohner und Vertriebenen, die derzeit dort leben, über ihre Belastungsgrenze bringen", sagte Sprecher Stéphane Dujarric am Montag in New York angesichts von Hunderttausenden Zivilisten in der Region. Eine Massenevakuierung in diesem Ausmaß sei nicht sicher durchzuführen.
Israel will letzte Bataillone der Hamas zerschlagen
Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zerschlagen, die sie seit Oktober in dem Küstenstreifen bekämpft. Es werden die Hamas-Führung und auch Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.
Ein israelischer Militärsprecher erklärte, es handele sich um einen "begrenzten Einsatz". Die Menschen sollten sich in eine "erweiterte humanitäre Zone" im Bereich Al-Mawasi begeben. Dort gebe es Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente. Die Armee ermögliche dort auch die Einrichtung von Feldkrankenhäusern. Der Sprecher betonte, die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Hilfsgütern werde während des Räumungseinsatzes ungehindert weitergehen. Man könnte diese über verschiedene Routen in den Küstenstreifen bringen, etwa über den Hafen in Aschdod.
Berichte über heftige Angriffe in Rafah
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte am Montag mit, bei verschiedenen israelischen Angriffen in Rafah seit Sonntagabend seien mindestens 28 Palästinenser getötet worden. Auch am Montag gab es Berichte über heftige Angriffe im Osten der Stadt Rafah.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörde wurden seit Beginn des Kriegs vor sieben Monaten 34.735 Palästinenser getötet und mehr als 78.000 weitere verletzt. Die Angaben, die nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Hamas warnte, Israel schädige mit den Vorbereitungen auf den Militäreinsatz allen Bemühungen, eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zu erzielen. Mahmud Merdawi, ein ranghohes Hamas-Mitglied, sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur, der Schritt werde sich negativ auf die indirekten Verhandlungen auswirken und "katastrophale Auswirkungen" auf die örtliche Bevölkerung haben.
Ägypten befürchtet Ansturm von Palästinensern über die Grenze
Ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte waren im vergangenen Monat in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen. Ägypten befürchtet unter anderem, es könnte bei dem Einsatz zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen. In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, es ist auch ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen. Am Montag blieb der Übergang jedoch vorerst geöffnet, wie die palästinensische Grenzbehörde und ägyptische Sicherheitskreise mitteilten.
Der jordanische Außenminister, Aiman al-Safadi, warnte bei X, vormals Twitter: "Ein weiteres Massaker an den Palästinensern steht bevor." Alle müssten jetzt handeln, um ein solches Szenario zu verhindern. Es sei ein "unauslöschlicher Schandfleck" für die internationale Gemeinschaft, sollte es zu einem Militäreinsatz in Rafah kommen.
Auch Frankreich gegen Rafah-Offensive
Das französische Außenministerium betonte ebenfalls seinen "entschiedenen Widerstand" gegen eine Bodenoffensive in Rafah. "Frankreich erinnert im Übrigen daran, dass die Zwangsumsiedlung einer Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerrechts darstellt", teilte das Ministerium mit. Die Geiseln der Hamas müssten sofort freigelassen werden und ein dauerhafter Waffenstillstand müsse den Schutz ermöglichen, den die Zivilbevölkerung brauche, hieß es.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief Israel dazu auf, auf eine Bodenoffensive in Rafah zu verzichten. Der Evakuierungsaufruf würde das Schlimmste ahnen lassen, "mehr Krieg und Hungersnot", schrieb Borrell am Montag auf der Plattform X, ehemals Twitter. Die EU sei gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft aufgefordert zu handeln, um ein solches Szenario zu verhindern.