Rund 39 Prozent der Betroffenen hatten laut Wohnungslosenbericht des Bundes noch nie eine eigene Wohnung in Deutschland - darunter sind viele Geflüchtete, aber auch junge Erwachsene, die freiwillig oder gezwungenermaßen aus dem Elternhaus ausziehen.
Was fehlt
Besonders in den Metropolen ist die Konkurrenz um bezahlbare Wohnungen hoch - so hoch, dass Wohnungslose kaum eine Chance haben, selbst eine Unterkunft zu finden. Notunterkünfte sind keine Dauerlösung - auch wenn viele Betroffene monatelang hier unterkommen. Andere nutzten die Hilfe gar nicht, heißt es im Aktionsplan des Bauministeriums. Sie kämen nicht klar mit so vielen Menschen auf engem Raum, mit dem Mangel an Privatsphäre, erlebten Gewalt und Diebstahl. Außerdem gebe es zu wenig Angebote spezifisch für Frauen oder Hilfesuchende mit Haustieren.
Doch das ist nicht das einzige Problem: Wer auf der Straße lebt, ist häufig gesundheitlich angeschlagen. Doch einen Hausarzt zu finden, ist besonders für Obdachlose schwierig. Ihr Versicherungsstatus sei oft nicht geklärt. Dazu komme Scham, die Angst vor Sprachproblemen. Dabei hätten viele Wohnungslose Traumata, weil Gewalt für sie auf der Tagesordnung stehe. Bloh berichtete von Kämpfen um Schlafsäcke, aber auch von roher Gewalt durch Jugendliche, die gezielt Obdachlose angriffen.
Was die Politik plant
Laut Koalitionsvertrag wollen SPD, Grüne und FDP "bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden". Zuständig für die Versorgung mit Wohnraum sind zwar in erster Linie Kommunen und Länder, die Ampel will aber für stärkere Zusammenarbeit sorgen. Kernziel sind mehr bezahlbare Wohnungen und das Verhindern von Wohnungsverlust. Bund, Länder und Kommunen sollen prüfen, ob sie Wohnungslose bei ihrer Wohnraumförderung ausreichend berücksichtigt haben. Das Bauministerium verweist darauf, dass schon jetzt Rekordsummen in den sozialen Wohnungsbau investiert würden. Außerdem sei das Wohngeld verdoppelt und für deutlich mehr Haushalte zugänglich gemacht worden.
Bei Mietschulden soll es bessere Beratung und Hilfe beim Abstottern geben. Gemeinsam sollen auch Mindeststandards für Notunterkünfte erarbeitet werden, die mehr Privatsphäre ermöglichen sollen. "Frauen und Männer sollen getrennt untergebracht werden können, wenn sie das möchten", erklärte Geywitz. Alle Wohnungslosen sollen zudem Zugang zur Krankenversicherung bekommen. Damit sie am öffentlichen Leben teilnehmen und zum Beispiel auch Wohnungsinserate finden können, soll kostenloses WLAN ausgebaut werden.
Wie das bewertet wird
Sozialverbände und Vertreter von Betroffenen erklärten zunächst einmal, es sei gut, dass die Bundesregierung das Problem anpacke. Im Aktionsplan fehlen ihnen allerdings mehr konkrete Lösungsansätze. Im Mietrecht zum Beispiel fehle eine Reform zur Schonfristzahlung, erklärten die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und der Mieterbund. Dabei geht es um die Frage, ob eine Kündigung bei Nachzahlung von Mietschulden noch wirksam ist oder nicht. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft dagegen warnte vor Eingriffen ins Mietrecht. "Statt Investitionsbremsen in Form von immer schärferen Mietrechtseingriffen helfen den Wohnungssuchenden nur neue bezahlbare Wohnungen, deren Bau wieder ermöglicht werden muss", erklärten die Spitzenverbände der Branche. Die Diakonie kritisierte: "Es fehlt an konkreten, wirksamen sozialen und wohnungsbezogenen Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum für wohnungslose Menschen sowie zur Verhinderung von Wohnungsverlusten."