Steinmeier wurde während seiner Rede immer wieder von Beifall unterbrochen. Im Anschluss applaudierten ihm die Gäste des Staatsaktes stehend.
Gänsehautmoment mit Margot Friedländer
Steinmeier würdigte das Grundgesetz als ein "großartiges Geschenk" für Deutschland nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. "Ich bin überzeugt: Diese Verfassung gehört zu dem Besten, was Deutschland hervorgebracht hat." Den zentralen Satz in Artikel 1 - "Die Würde des Menschen ist unantastbar." - nannte der Bundespräsident einen "Fixstern". Einen Gänsehautmoment erlebten die Gäste, als die 102 Jahre alte Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die dem Tod im Konzentrationslager nur knapp entronnen war, eben diesen Satz in einer eingespielten kurzen Sequenz zitierte.
Andere Prominente zitierten weitere Grundrechte, die Journalistin Jessy Wellmer zum Beispiel Artikel 5 ("Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet."), der in Ghana geborene Koch Nelson Müller Artikel 3 ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.") und der Unternehmer Michael Otto Artikel 14 ("Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.")
Erinnerung auch an 35 Jahre Friedliche Revolution
Steinmeier erinnerte in seiner Rede auch an die Friedliche Revolution in der DDR vor 35 Jahren, die letztlich dazu führte, dass das bis dahin nur in Westdeutschland geltende Grundgesetz zur Verfassung für ganz Deutschland wurde. "Das Grundgesetz und die Friedliche Revolution, sie haben die zweite deutsche Demokratie, oder ich sollte besser sagen, sie haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir feiern zusammen, weil wir zusammengehören."
Einen dezenten Hinweis darauf, dass 1989/90 vieles nicht so gelaufen ist, wie sich das die Menschen in Ostdeutschland vorgestellt hatten, gaben Katharina Thalbach und Andreja Schneider. Sie ließen eine musikalische Zeitreise von 1949 bis 1989 mit der Kinderhymne von Bertolt Brecht ausklingen - die sich manche Ostdeutsche als neue gesamtdeutsche Nationalhymne gewünscht hätten. Vergeblich. Und so endete der Staatsakt mit "Einigkeit und Recht und Freiheit".