Todtnauberg Wenn der Winter nicht mehr ausreicht

Ulrike Jäger
Bei der Infoveranstaltung zum Vorhaben „Ganzjahresbetrieb Stübenwasenlift“ war das Interesse sehr groß. Foto: /Ulrike Jäger

Rund 150 Bürger informierten sich am Montagabend zum Vorhaben, den Stübenwasenlift in einen Ganzjahresbetrieb zu verwandeln. Hier soll neben einem Vierer-Sessellift eine Mountaincart-Strecke entstehen. Aber nicht allen gefallen die Pläne.

Todtnaus Bürgermeister Oliver Fiedel freue sich, dass die Familien Schneider und Brender das Durchhaltevermögen für das Projekt haben: „Daran hängen Existenzen.“ Und Ortsvorsteherin Franziska Brünner hoffte auf einen konstruktiven Austausch. Liftbetreiber Matthias Schneider informierte über die diversen Etappen des Vorhabens, das vor neun Jahren seinen Anfang nahm. Im Januar diesen Jahres habe man die umfangreichen Unterlagen auf einer Sackkarre ins Regierungspräsidium Freiburg gebracht. Seine Schwester Andrea Brender blickte auf die Anfänge des Liftbetriebs zurück, der im Jahr 1962 begann und seitdem auch Arbeitgeber im Winter für viele Einheimische ist.

Projekt ist alternativlos

Die vorhandenen Schlepplifte seien nun am Ende ihrer technischen Lebensdauer, ein Ersatz im Bestand sei betriebswirtschaftlich nicht darstellbar. Durchschnittlich 90 Betriebstagen stünden 365 Tage Kosten gegenüber, so Schneider. Als Gründe für die Modernisierung nannte er die langfristige Sicherung des Betriebs – die nächste Generation könne den reinen Winterbetrieb in der bisherigen Form nicht weiterführen. Die Lösung sei ein Ganzjahresbetrieb mit Vierer-Sesselbahn, der mehr Betriebstage sichern und eine Aufwertung für Todtnauberg und die Bergwelt Todtnau darstelle. Auch wären drei bis vier Festanstellungen von Mitarbeitern möglich.

Zusätzliche Attraktivität böten eine Mountaincart-Strecke und eine Winterrodelbahn, die zusätzliche Anlage von Themenwegen, die Erweiterung der Parkplätze und die Verlegung des Spielplatzes in Sichtweite der Gastronomie am Lift. Der ganzjährige Transport von Fußgängern sei somit ebenso möglich wie eine ganzjährig geöffnete Gastronomie. Diese Sommernutzung sei alternativlos, „sonst gibt es ein Sterben auf Raten, das muss ich so betonen“, so Schneider.

Auerhuhn schützen

Die Fachplaner erläuterten die diversen, komplizierten und komplexen Verfahren, bevor ein solches Projekt überhaupt auf den Weg gebracht werden kann. Das Regierungspräsidium, das Landratsamt und die Stadt Todtnau seien unter anderem beteiligt, wie Gesamtplaner Christian Weiler vom Ingenieurbüro Klenkhart und Partner aus dem österreichischen Absam informierte. Bei ihm liegen Projektsteuerung und technische Gesamtplanung. Unter anderem sei der Transport von Baumaterial und Geräten mit einem Materiallift geplant.

Landschaftsplaner Georg Kunz vom Büro Gala-Plan informierte über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Landesbehörden vorschreiben, und die in dem Natur-, Vogel- und Wasserschutzgebiet, in dem das Vorhaben geplant ist, berücksichtigt werden müssen. So musste unter anderem eine Ausgleichsmaßnahme für den Wiesenpieper vorgesehen werden. Um das Auerhuhngebiet zu schützen, würde eine Jungviehweide angelegt, sodass hier keine Besucher hinkämen. Er betonte die Wichtigkeit eines Besucherlenkungs- und Informationskonzepts inklusive Verbotsschildern und aktiven Kontrollen durch die Ranger. Die geplante Winter- und Sommerrodelbahn würde am Rande des Wasserschutzgebiets angelegt und stelle keine Beeinträchtigung des FFH-Gebietes dar. Hochkomplexe Umweltverträglichkeitsstudien, Pläne und Kartierungen seien notwendig und brachten es in seinem Gutachten auf mehr als 600 Seiten, so Kunz.

550 Fahrten durch Besucher

Wilfried Jans vom Büro für Schallschutz aus Ettenheim erläuterte detailliert die Sportanlagenlärmschutzverordnung, unter die das Vorhaben fällt. Eine der maßgeblichen Schallquellen sei hier der An- und Abreiseverkehr. Eine Zählung habe ergeben, dass zu den rund 400 Fahrten durch Anlieger und Einwohner rund 550 Fahrzeuge durch Besucher hinzukämen, wobei Grenzwerte nicht überschritten würden. Christian Weiler betonte, dass es den Betreiberfamilien sehr daran läge, die Befürchtungen wegen höheren Verkehrsaufkommens zu zerstreuen. So könne eine Besucherlenkung durch Kameras und ein digitales Parkleitsystem erfolgen, sodass bereits vor der Anfahrt mittels „roter Ampel“ eine Weiterfahrt zum Stübenwasenparkplatz verhindert und auf andere Parkplätze umgeleitet werden könnte. „Wir nehmen die Bedenken sehr ernst“, betonte Schneider. Er erklärte, dass man im Sommer den Betrieb durch Preise oder Ticketkontingente steuern könne, auch sei ein Shuttle-Bus denkbar. „Wir haben viel Zeit, Geld und Herzblut in dieses Projekt gesteckt.“ Durch Pachteinnahmen und touristische Abgaben würde auch die Stadt und somit alle Bürger profitieren.

Kritik der Anwohner

Lothar Mühl äußerte als Anwohner der Rüttestraße, die zum Stübenwasenlift führt, ausführlich seine Bedenken wegen erhöhter Lärmbelästigung durch mehr Verkehr, auch durch die mögliche Verknüpfung eines Hängebrückenbesuchs mit der Sommerrodelbahn. Er befürchtet Massentourismus und damit den Rückgang der Gäste, die Ruhe suchen. Er bemängelte auch den fehlenden Gehweg auf den letzten 500 Metern der Straße bis zum Liftparkplatz. Gleichzeitig äußerte er seinen Respekt für die Liftbetreiber-Familien, denn er könne die betriebswirtschaftliche Begründung verstehen.

Lothar Mühl äußert seine Bedenken. Foto: Ulrike Jäger/Ulrike Jäger

Matthias Mühl, Anwohner der Kreuzmattstraße, sagte: „Für jeden Wurm wird eine Lösung gefunden, aber für die Anwohner gibt es kein gutes Verkehrskonzept.“ Er sprach sich für einen Verkehrsstopp bereits am Anfang des Dorfes aus und dafür, dass die Einnahmen durch Pacht und Tourismus in Todtnauberg auch im Ort reinvestiert werden sollten.

Von einem ersten Ergebnis einer Verkehrszählung im Ort berichtete Matthias Schneider: Die meisten Fahrzeuge wurden zwischen 6.30 und 7 Uhr (Berufsverkehr) gezählt, dann zwischen 10 und 11 Uhr, wenn Gäste und Einheimische aus dem Dorf fahren, um gegen 17 bis 18 Uhr wieder zurück zu kommen. Ortsvorsteherin Brünner betonte, dass Tourismus auch eine Frage der Besucherlenkung sei und alle im Ort betreffe. Es sei wichtig, ein Parkplatzleitsystem zu entwickeln, „das müssen wir als Stadt in den Griff bekommen“. Sie sprach sich dafür aus, alle Projektbetreiber an einen Tisch zu bekommen.

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