Uehlin-Häuser Abriss nähert sich Ende

Anja Bertsch
Ein Blick ins Innere: Zwischenzeitlich auch schon wieder ein Bild aus vergangenen Tagen. Foto: Anja Bertsch

Leere Fensterhöhlen, eine auf halber Höhe abgebrochene Fassade, eine Regenrinne, die an dem Mauerrest hinauf ins Nichts führt: Am Ende der dritten Abriss-Woche ist von den beiden Uehlin-Häusern nur noch ein kläglicher Rest zu sehen.

Seit nunmehr drei Wochen liegt das gleichmäßige Dröhnen des Abrissbaggers über Marktplatz und Scheffelstraße, der modrige Geruch, der in den ersten paar Tagen aus dem Gemäuers entwichen war, ist verflogen – und die alten Uehlin-Häuser sind weitgehend verschwunden. Das Eckgebäude war zuerst dran, nach einer Woche weitgehend ausgehöhlt, im Laufe der zweiten nur noch Fassade – und dann endgültig Vergangenheit. Dem zweiten Haus ging es seit dieser Woche verschärft ans Leder – am Freitagnachmittag stehen auch hier nur noch Reste der Fassade.

Langer Weg zum Abriss

Schon bevor die Abrissarbeiten Mitte Februar starteten, waren die Uehlin-Häuser zu baufälligen Ruinen heruntergekommen: Der Zahn der Zeit und langer Leerstand hatten den Anfang gemacht, Feuer und Löschwasser im Jahr 2017 ein großes Weiteres, Wind und Wetter über dem danach nur notdürftig abgedichteten Gebäude gaben den Rest. Bis zum Abriss war es dennoch ein langer Weg: Zunächst stand der Denkmalschutz im Weg, zuletzt die lahmende Baukonjunktur, die den Investor dazu veranlasste, den eigentlich für Sommer 2023 angekündigten Abriss zu verschieben.

Dem Erdboden gleich

Jetzt aber geht es plötzlich ganz schnell: Ende kommender Woche sollen die historischen Gemäuer dem Erdboden gleichgemacht sein, schätzt das zuständige Bauunternehmen aus Todtnau. Ob es danach direkt weiter in die Tiefe geht, steht noch nicht fest: Der Gewölbekeller soll auf jeden Fall ebenfalls abgerissen bzw. ausgehoben werden. Allerdings: Macht man sich im Untergrund ans Werk, müsste es anschließend direkt an den Neubau gehen, damit nicht mitten in der Stadt auf unabsehbare Zeit eine mächtige Baugrube klafft. Ob aber die Investorenfirma in Sachen Neubau so schnell aktiv wird, ist alles andere als sicher.

Leere Fensterhöhlen Foto: Anja Bertsch

Düstere Faszination

Es ist ein Stück Schopfheimer Geschichte, das da in seine Einzelteile zerlegt und Container um Container abtransportiert wird, und der Abbruch dieses Wahrzeichens übt eine düstere Faszination aus: Viele Passanten bleiben stehen, halten mit ihren Smartphones fest, wie sich das historische Gemäuer in Luft und Trümmerteile auflöst und tauschen Erinnerungen aus: An Buchhandlung und Schreibwarengeschäft, die in den verwinkelten Räumen im Erdgeschoss zu Hause waren, an die Erzählstunden im lauschig-wilden Garten hinter den Häusern – längst dem neuen Betonbau dort gewichen –, oder an die Aufregung um eine Fassadenverzierung im Schwarzwald-Design, die den Denkmalschutz einstmals auf die Barrikaden brachte – und (spätestens) angesichts der Ereignisse seither bis hin zum jetzigen Verschwinden des Baudenkmals kaum mehr nachvollziehbar ist.

Schicht um Schicht

Schicht um Schicht biss sich die Baggerschaufel in den vergangenen drei Wochen durch das Gebäude, von oben nach unten, von hinten nach vorn und von innen nach außen. Legte das nach der Feuersbrunst schwarzverkohlte Dachgebälk frei und das nach wie vor solide Mauerwerk, brachte die Graffitis zum Vorschein, die irgendwer irgendwann einmal an die Wände im oberen Stockwerk gesprüht hat, und Türen, die plötzlich nicht mehr in einen Nebenraum sondern in den Abgrund führten. Gab einen letzten Blick frei auf die verwinkelten Räume, auf die Konstruktion aus Holz und Füllmaterial, aus denen die Decken vor über 300 Jahren erbaut worden waren, auf die Schichten und Muster von Tapeten, die im Laufe der Zeit eine über die andere geklebt worden waren, und auf die zahllosen Stützpfeiler, die vor allem im hinteren, brandgeschädigten Gebäudeteil zuletzt verhinderten, dass das Gebäude endgültig zusammenbrach.

Marode Substanz

Tatsächlich macht die marode Substanz den Abriss nicht einfacher, sondern birgt zusätzliche Herausforderungen. Bei anderen Abbrüchen können die Arbeiter das Gebäude betreten; einige Arbeiten wie beispielsweise das Abtragen des Dachstuhls lassen sich dadurch unkomplizierter erledigen, erläutert ein Mitarbeiter der Baufirma. An ein Betreten aber war bei den Uehlin-Häusern selbst für Spezialisten nicht mehr zu denken, sodass die Arbeiten komplett mit dem Bagger erledigt werden mussten.

Der steht mittlerweile auf einem Trümmerfeld: Das steinerne Abbruchmaterial hat sich über die vergangenen Wochen hinweg zum meterhohen Schuttberg aufgetürmt, der dem schweren Gerät die nötige Höhe verschafft, um auch das oberste Giebelfensterchen und den hintersten Mauerstein direkt an der Wand des Nachbargebäudes noch zu erreichen.

Mit großer Präzision

Unermüdlich und planvoll arbeitet sich der Bagger Stunde um Stunde und Tag für Tag durch das Gebäude. Reißt mal einige Quadratmeter Fischgrätparkett am Stück aus dem Boden des Zwischenstocks und zupft dann wieder mit faszinierender Präzision ein paar dünne Kabel aus dem Gemäuer, zieht fein säuberlich einen Balken aus dem Gewirr im Dachstuhl und bringt dann wieder mit immenser Kraft beinahe beiläufig die halbe Fassade zum Einsturz. Sämtliches Material wird akkurat in Container sortiert: Holz etwa, Metall oder Glaswolle. Anderes bauen die Arbeiter vom mobilen Kran aus von Hand ab und aus: die Fensterscheiben, die ansonsten unkontrolliert geborsten wären zum Beispiel, die schmiedeeisernen Halterungen an den Fenstern oder die Buchstaben, die an der Fassade über so lange Zeit hinweg den Namen unserer Zeitung an ihrer früheren Heimstatt formten.

Sind die Gebäude endgültig abgerissen, geht es noch einige Zeit, bis die Trümmer weggeräumt sind. Wie lange die neu geschaffene Freifläche das Bild in der Innenstadt prägen wird, steht derzeit noch in den Sternen.

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