SPD-Bundeschefin Saskia Esken hat verhalten auf den Vorschlag reagiert, die Bedrohung von Amtsträgern oder Ehrenamtlern als Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. "Was Herr Schuster vorschlägt, ist eine Art Privilegierung von bestimmten Menschen", sagte sie bei MDR-Aktuell. Ein Ausschluss von Teilen der Bevölkerung von diesem Schutz sei schwer vorstellbar. Außerdem sei unklar, wer genau mit Amtsträgern oder Ehrenamtlichen gemeint sei. "Das finde ich schon sehr schwierig."
Schärfere Strafen bei Angriffen im Wahlkampf gefordert
Schärfere Strafen für die Bedrohung von Politikern forderte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er sagte der Zeitung "Neue Westfälische", man könne "Gesetze machen und das Strafmaß deutlich erhöhen, um Gewalt gegen Kommunalpolitiker härter zu bestrafen. Man muss bei Strafen mit Abschreckung arbeiten. Wenn wir wollen, dass Kommunalpolitik noch funktioniert, dann müssen wir die Leute schützen."
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte vor der Innenministerkonferenz ein Signal der Stärke. "Angst zu haben oder sich einschüchtern zu lassen, wäre genau das falsche Signal", sagte Woidke, der auch Landesvorsitzender der Brandenburger SPD ist, der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist genau, was nicht passieren darf." Der offene Diskurs müsse weitergehen. Woidke fordert eine konsequente Reaktion der Innenminister: "Ich erwarte, dass ein Signal kommt, dass der vorhandene Rechtsrahmen vollumfänglich ausgeschöpft wird, dass wir vielleicht in diesem Bereich auch zu schnelleren Verfahren kommen", sagte er dem RBB.
Politikerinnen von Union und Grünen forderten die Innenministerkonferenz auf, auch für einen besseren Schutz von Wahlkämpfern durch die Polizei zu sorgen. "Mancherorts werden nicht nur Veranstaltungen, sondern wird auch das Anbringen von Wahlplakaten eng mit der Polizei abgestimmt und gegebenenfalls von ihr begleitet werden müssen", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), der dpa.
Es dürfe nicht bei Betroffenheits-Äußerungen der Innenminister bleiben. Sie brachte eine mögliche Strafrechtsverschärfung ins Spiel. "Gegen Beleidigungen sind Politiker mit einem erhöhten Strafrahmen besonders geschützt, gegen Körperverletzungen aber nicht." Auch das gehöre auf den Prüfstand.
Faeser will nach Angriffen schnelle Verfahren und mehr Polizeipräsenz
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt vor der Innenministerkonferenz auf mehr Schutz von Wahlkämpfern - mit schnellen Strafverfahren, mehr Polizeipräsenz und wenn nötig einem schärferen Strafrecht. "Wir brauchen ein ganz deutliches Stopp-Signal: Dafür ist neben der Polizei und den Sicherheitsbehörden auch die Justiz gefordert", sagte Faeser der Deutschen Presse-Agentur. "Gewalttäter, die Demokraten attackieren, müssen die volle Härte des Rechtsstaats spüren: durch schnelle und konsequente Verfahren und Strafen. Wenn wir das Strafrecht dafür weiter verschärfen müssen, um antidemokratische Taten härter zu ahnden, werde ich mit dem Bundesjustizminister hierüber schnell beraten."
Die Ministerin hält auch "mehr sichtbare Polizeipräsenz vor Ort" für notwendig, um Demokraten an Wahlkampfständen und bei Veranstaltungen zu schützen. "Dabei ist auch klar: Die Polizei kann nicht überall gleichzeitig sein, aber sie kann Schutzkonzepte anpassen und Präsenz erhöhen, so wie es vielerorts bereits erfolgt", sagte Faeser. "Der Bund wird die Länder mit der Bundespolizei an anderen Stellen weiter stark entlasten." Außerdem werde das Bundeskriminalamt Hasskriminalität mit aller Konsequenz bekämpfen. "Denn die Hasskriminalität bis hin zu Morddrohungen im Netz bereitet den Boden für die Gewalttaten, die wir erleben."
"Wir wissen, wo Du wohnst und wo Deine Kinder zu Schule gehen"
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, ermahnte die Innenressortchefs, nach ihrer Konferenz nicht ohne konkrete Vereinbarungen auseinanderzugehen. Die Ministerinnen und Minister müssten vor allem besprechen, "wie von Bund und Ländern ausreichend Polizeikräfte organisiert werden können, um bevorstehende Wahlkampfveranstaltungen hinreichend abzusichern". Die Grünen-Politikerin forderte "eine genaue Analyse der möglichen Mobilisierung solcher Angriffe und ein klares Konzept für geeignete Schutzmaßnahmen".
Eine Verschärfung des Strafrechts hält auch der Deutsche Städtetag für angebracht. Präsident Markus Lewe sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Nachstellungen, Aufmärsche vor Wohnhäusern und Bedrohungen wie "Wir wissen, wo Du wohnst und wo Deine Kinder zu Schule gehen", müssen geahndet werden können. Das gehört ins Strafgesetzbuch." Lewe, der Oberbürgermeister in Münster ist, forderte zudem Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um "schneller und zielgenauer agieren" zu können.
Der IMK-Vorsitzende Stübgen warnte vor überzogenen Erwartungen an die Polizei. "Gewalt und Hetze in unserer Gesellschaft betreffen nicht nur die Innenpolitik. Verrohung und Enthemmung sind ein Problem für die gesamte Gesellschaft", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Dienstag). "Wer erwartet, dass die Polizei alle Probleme lösen kann, der verkennt die Herausforderungen, vor denen wir stehen."
Reul glaubt nicht an umfassenden Politiker-Schutz
NRW-Innenminister Herbert Reul glaubt nicht daran, dass sich der Schutz von Politikerinnen und Politikern durch mehr Polizeipräsenz wesentlich verbessern lässt. "Ist doch irre zu glauben, wir könnten alle Politiker einzeln beobachten", sagte Reul am Dienstag im "Morgenecho" auf WDR 5. "Allein von der Menge geht's nicht", so Reul. "Es sind doch Zehntausende." So viele Polizisten gebe es gar nicht, zumal die auch noch alles andere machen müssten.
Dazu komme: "Ich will so eine Gesellschaft auch nicht, wo neben jedem Politiker auf der Straße auch noch ein Polizist steht. Ist schon schlimm genug, wenn ich welche um mich rum habe." Man dürfe sich jetzt nicht verrückt machen lassen, sagte der CDU-Politiker: "Wir dürfen uns nicht von ein paar Verrückten unsere Gesellschaft und unsere Art, Politik zu machen und Demokratie zu organisieren und miteinander zu reden und Bürgernähe zu haben, kaputt machen lassen."