Efringen-Kirchen Erster Stolperstein für einen ermordeten Behinderten

Daniel Hengst
Marion Caspers-Merk bei der ersten Stolperstein-Aktion in Efringen-Kirchen, während Gunter Demnig Steine verlegt. Foto: Daniel Hengst

Der Arbeitskreis Stolpersteine Efringen-Kirchen wird in Istein an ein sogenanntes „Euthanasie-Opfer der NS-Zeit“ erinnern. Insgesamt sollen zehn oder elf Messingbeschlagene Steine im Herbst verlegt werden.

Acht Stolpersteine wurden im vergangenen Jahr für ermordete und vertriebene Juden in Kirchen verlegt. Seither befasst sich der Arbeitskreis Stolpersteine Efringen-Kirchen damit, an welche ermordeten oder vertriebenen Juden man in diesem Jahr erinnern kann.

In der April-Sitzung des Arbeitskreises in der Kulturscheune Kleinkems von Christian Rabe, der zu den Mitgliedern zählt, wird über 17 Stolpersteine gesprochen, die zur Verlegung anstehen. Marion Caspers-Merk, die Sprecherin, berichtet, dass derzeit Geld für insgesamt 18 messingbeschlagene Steine aus der Werkstatt von Gunter Demnig vorhanden sei. „Es kommen immer wieder kleine Spenden“, erzählt die frühere Bundestagsabgeordnete und heutige Kreisrätin. Im November könnte die Gruppe folglich 17 Steine für die Opfer der NS-Zeit verlegen.

In Zugzwang ist die Gruppe lediglich, weil es eine lange Warteliste für diese in Handarbeit von Gunter Demnig und seinem Team hergestellten Stücke gibt. „Wenn wir jetzt im April melden, wie viele Steine wir benötigen, dann bekommen wir diese rechtzeitig im Herbst“, sagt die 68-Jährige. Allerdings müssten die Daten „schnellstmöglich nachgeliefert werden“.

Stolperstein für die Gruppe

Ein Problem ist, dass die Gruppe für die Adresse von sechs Opfern keine Genehmigung von den Grundstückseigentümern bekommt. Karl-Friedrich Hess, Willfried Bussohn und Ernst Geisel waren unterwegs und haben nach dem Einverständnis gefragt. Für die Gruppe ist es ein Reizthema. „Das ist ein Stolperstein für die Stolpersteine“, sagt Caspers-Merk.

Christian Rabe spielte vergangenen November bei der Stolpersteinverlegung eine Melodie von David Zehavi. Foto: Daniel Hengst

Hintergrund: Verlegt werden die Stolpersteine im öffentlichen Raum. Im Gehweg oder im Bereich des Bordsteins in der Straße. „Das ist Eigentum der Gemeinde“, meint sie. Dennoch muss von den Grundstückseigentümern eine Unterschrift beigebracht werden, die heute an dem Ort wohnen, an welchem die Opfer letztmals freiwillig lebten. Es sei eine zusätzliche Bürde, welche der Gemeinderat der Gruppe auferlegt habe. „Nach der Kommunalwahl am 9. Juni können wir beim neu gewählten Gemeinderat nochmals einen Vorstoß probieren“, findet Willfried Bussohn.

Es können elf Steine werden

Bei sechs Personen, die zu den Familien Braunschweig und Moses zählen, hatte der Arbeitskreis keinen Erfolg – es gibt keine Unterschrift vom Anwohner. Drei wurden in Auschwitz ermordet, zwei starben in Theresienstadt und lediglich einem gelang es, in die USA zu emigrieren.

Es gibt allerdings mehrere „gute Nachrichten“. Die besagte Unterschrift liegt für die Friedrich-Rottra-Straße 48 vor. Dort lebten einst die Familien Olesheimer und Braunschweig. Für Henriette Olesheimer, Rebekka Braunschweig, Leopold Braunschweig, Johanna Marque und Margot Braunschweig können Steine angefertigt werden. „Die genauen Daten werden wir jetzt einer weiteren Überprüfung unterziehen“, erklärt die Sprecherin, die diese Daten daher noch nicht veröffentlicht haben möchte.

Eine weitere Unterschrift ist für die Basler Straße 37 vorhanden. Die Steine für Samuel, Siegfried, Rosa und Norbert Moses sollen ebenfalls in Auftrag gegeben werden.

Es wird sehr ruhig als Ernst Geisel von seinen Recherchen berichtet. Geisel hat Rudi Krebs befragt. Als Kind war er Nachbar der Familie Moses. Wenngleich Krebs sich nicht an alle seine eigenen Erlebnisse erinnern kann, so wurden sie von den Berichten seiner Großmutter aufgefrischt.

Schwarze Limousinen

Demnach sollen 1940 zwei schwarze Limousinen vorgefahren sein, jeweils mit zwei Männern darin. Das habe für Aufsehen gesorgt. „Die Familie Moses ist wohl die einzige, die in Kirchen auf diese Weise persönlich abgeholt wurde“, berichtet Geisel von seiner Recherche. Als die schwarz gekleideten Personen im Haus verschwunden seien, hätte die Großmutter von Rudi Krebs einen Schrei von Rosa Moses gehört, den sie nie mehr vergessen hätte. Dann wurden die Moses’ in die Autos gezerrt.

Das zehnte Opfer, für den es einen Stolperstein geben soll, lebte nicht in Kirchen, sondern in Istein. Otto Brändlin lebte einst In der Vorstadt 8. Er ist ein Euthanasie-Opfer der NS-Zeit. Euthanasie bedeutet übersetzt „schöner Tod“, umgebracht wurden die Menschen mit Behinderung aber wie alle anderen. „In der NS-Zeit wurden viele Menschen getötet, an die ermordeten Behinderten wird nur sehr wenig gedacht“, erklärt Caspers-Merk, die sehr froh ist, dass für diese Personengruppe ein Stein verlegt werden kann.

Clinch mit der Verwaltung

Es gibt noch einen weiteren Namen aus Istein. Die Gruppe ist noch im Gespräch mit dem Anwohner und hält sich deshalb völlig bedeckt. Allerdings gehe es oft nicht darum, dass dort einst Juden oder Menschen mit Behinderung gelebt hätten, die umgebracht wurden und einen Stein erhalten sollen. „Die Grundstückseigentümer fragen sich, warum sie für das Verlegen eines Steins im Bereich des Gemeindeeigentums eine Unterschrift abgeben sollen“, beschreibt Ernst Geisel die Situation. Damit, oder weil die Anwohner im „Clinch“ mit der Gemeindeverwaltung liegen, werde die Unterschrift verweigert.

Im vergangenen November wurden die ersten Stolpersteine in Kirchen verlegt. Foto: Daniel Hengst
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