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Kreis Lörrach Kunden aufklären und informieren

Denis Bozbag
Wie bleibt in Zeiten von Corona der ÖPNV im Landkreis Lörrach für die Bürger attraktiv? Foto: Die Oberbadische

Interview: RVL-Geschäftsführer Frank Bärnighausen kritisiert Stigmatisierung des ÖPNV als Virenschleuder

Kreis Lörrach - Der RVL sieht sich angesichts der enormen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den ÖPNV großen perspektivischen Herausforderungen gegenüber. Denis Bozbag sprach mit RVL-Geschäftsführer Frank Bärnighausen über die aktuelle Lage und Maßnahmen, den öffentlichen Verkehr in der Region weiterhin krisenfest und für die Bürger attraktiv zu halten.

Herr Bärnighausen, laut einer Mitteilung fehlen dem RVL aufgrund der Corona-Folgen drei Millionen Euro an Einnahmen. Derzeit laufen Verhandlungen mit Bund und Land über mögliche „Rettungsschirme“ für den ÖPNV. Was sind Ihre Forderungen an die Politik?

Aktuell ist von einem Minus von fast drei Millionen Euro für die Zeit von März bis Juli 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum auszugehen, und auch für den Rest des Jahres werden wir noch lange nicht wieder auf Vorjahresniveau sein.

Die Einnahmen fehlen den Verkehrsunternehmen, welche die Beförderungsleistungen erbringen, entsprechende Betriebskosten für Fahrzeuge, Personal und Energie haben und denen die Fahrgäste weggebrochen sind. Das Fahrtenangebot wurde auch in der Corona-Zeit zu großen Teilen erbracht im Sinne der Daseinsvorsorge und der erforderlichen Aufrechterhaltung der Beförderung für systemrelevante Berufe. Die wenigen Fahrgäste und Einnahmen in dieser Zeit stehen hierzu jedoch in keinem Verhältnis.

Verkehrsbranche und Politik sind sich bundesweit einig, dass pandemiebedingte Einnahmenausfälle zu großen Teilen auszugleichen sind, sonst wird das Verkehrsangebot perspektivisch nicht aufrechtzuerhalten sein und es drohen Insolvenzen der Verkehrsunternehmen. Seitens RVL bestehen keine hiervon abweichenden Forderungen. Es scheint zumindest für dieses Jahr zu gelingen, den „Worst Case“ zu verhindern.

Haben die bisherigen Corona-Hilfspakete auch für den RVL einen Teil der wirtschaftlichen Pandemiefolgen abfedern können?

Wie erwähnt, laufen die großen Bund-Länder-Rettungspakete aktuell erst an. Bis dato gab es aber einzelne Stabilisierungsmaßnahmen wie beispielsweise die Unterstützung für Familien durch das Land Baden-Württemberg, indem zwei Monate des Schülerabos für die Eltern übernommen wurden.

Auch vorgezogene Teilzahlungen aus ÖPNV-Mitteln von Land und Landkreis an die Verkehrsunternehmen dienten dazu, kurzfristig die Liquidität zu sichern und die schwierige Situation vor allem der privaten Unternehmen abzufedern.

Eine Tarifanpassung um 2,5 Prozent seit 1. August war unvermeidbar? Müssen sich die RVL-Kunden bei einer zweiten Pandemie-Welle auf weitere Preissteigerungen gefasst machen?

Zunächst einmal: Die Tarifanpassung ist unabhängig von Corona erforderlich aufgrund der realen Kostensteigerungen im ÖPNV, und nur diese werden an den Fahrgast mit moderaten 2,5 Prozent weitergegeben.

Da die wirtschaftliche Situation, wie ausgeführt, angespannt ist, konnte nicht auf die turnusmäßige Weitergabe der Kostenentwicklung und damit die anteilige Nutzerfinanzierung verzichtet werden.

Im Szenario einer zweiten Pandemiewelle wäre eine Preismaßnahme kein ausreichendes Instrument, um entstehende Einnahmenausfälle auch nur annähernd zu kompensieren.

Die Fahrgastzahlen sind auch gesunken, weil dem ÖPNV zum Teil ein schlechtes Image als Virenschleuder anhaftet. Was können Sie dieser Wahrnehmung entgegenhalten?

Festzuhalten ist, dass die Fahrgastzahlen gesunken sind, weil drastische Maßnahmen ergriffen wurden (Lockdown, Home-Office, Kurzarbeit, Freizeiteinschränkungen).

Leider war zu Beginn der Corona-Krise auch durch Politik, Medien und Arbeitgeber eine Stigmatisierung des ÖPNV („Virenschleuder“) festzustellen, die dem Beförderungsauftrag und Image nicht dienlich war. Dies hat man inzwischen auf breiter Ebene realisiert und unterstützt nun Maßnahmen zur Aufklärung und Kundenrückgewinnung.

Aktuellen Statistiken bei den zuständigen Gesundheitsämtern zufolge bestehen auch keine objektiven Anhaltspunkte für ein erhöhtes Infektionsrisiko in Bussen und Bahnen.

Ebenso sind die Verkehrsunternehmen mit ihren zahlreichen Mitarbeitern bislang ohne größere Ausfälle durch die Krise gekommen.

Wie kann man den Bürgern in Zeiten von Corona den ÖPNV wieder schmackhaft machen?

Die Verkehrsunternehmen setzen die staatlichen Vorgaben um und versuchen, einen „sicheren“ Rahmen zu schaffen (Schutzscheiben beim Vordereinstieg, häufige Desinfektion der Fahrzeuge und Schutzmaskenpflicht in Fahrzeugen und an Haltestellen). Deren Kontrolle und Durchsetzung ist eine hoheitliche Aufgabe und obliegt nicht den Verkehrsunternehmen oder dem Fahr- und Kontrollpersonal. Dies kann auch nicht vom Fahrer erwartet werden, dessen vordringliche Aufgabe es ist, die Kunden pünktlich und unfallfrei von A nach B zu bringen.

Mit der Zielsetzung einer Rückgewinnung von Fahrgästen wurden bundesweite Marketingkampagnen angestoßen (#BesserWeiter), die zum einen den Dank an die vielen Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen richten, zum anderen aufklären und informieren hinsichtlich der Maskenpflicht in Bus und Bahn und zuletzt attraktive Zusatzangebote für die Fahrgäste bewerben. Beispielhaft sei genannt das landesweite Angebot für alle Stammkunden „bwSommer Abo“ oder auch digitale Angebote, wie zum Beispiel das neue Handyticketangebot Fairtiq im RVL.

Zu guter Letzt äußerte die SPD im Landkreis Kritik daran, dass mit der neuen App des Regio-Verkehrsverbunds Lörrach zwar Einzelfahrkarten bargeldlos erworben werden können, nicht aber das Ein-Euro-Ticket. Warum ist das so?

Festzuhalten ist, dass Fairtiq als „Check-In-Check-Out-System“ zunächst einmal ermäßigte RVL-Einzelfahrscheine für alle Preisstufen im ganzen RVL-Verbundgebiet anbietet.

Dies wurde im RVL zum 1. Juli erfolgreich lanciert und wurde prioritär umgesetzt – gerade in Anbetracht von Corona mit einem bargeldlosen und berührungsfreien Medium. Insofern fanden wir die heftige Kritik etwas befremdlich.

Die Prüfung des Vertriebs weiterer Tickets und Tarife über Fairtiq erfolgt gemeinsam mit dem Anbieter. Dazu gehört auch die Fragestellung, ob und wie eine Mehrfahrtenkarte wie das Ticket4Lörrach in diese Systematik implementiert werden kann. Bekanntlich geht es dabei um vier nochmals ermäßigte Fahrten (und nicht eine Einzelfahrt), die alle innerhalb der Gemarkung der Stadt Lörrach stattfinden und einer zeitlichen Restriktion unterliegen.

Das ist nicht trivial, denn Fairtiq ist kein Handyticket mit einem sogenannten Katalogverkauf von Fahrscheinen, sondern, wie erwähnt, ein Check-In-Check-Out-System. Der RVL ist in dieser Fragestellung mit Fairtiq im Gespräch, und es werden mögliche Ansätze geprüft. Wir sind zuversichtlich, dass es gelingen wird, auch eine lokale Sonderlösung wie das Ticket4Lörrach abzubilden.

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