Eine Tarifanpassung um 2,5 Prozent seit 1. August war unvermeidbar? Müssen sich die RVL-Kunden bei einer zweiten Pandemie-Welle auf weitere Preissteigerungen gefasst machen?
Zunächst einmal: Die Tarifanpassung ist unabhängig von Corona erforderlich aufgrund der realen Kostensteigerungen im ÖPNV, und nur diese werden an den Fahrgast mit moderaten 2,5 Prozent weitergegeben.
Da die wirtschaftliche Situation, wie ausgeführt, angespannt ist, konnte nicht auf die turnusmäßige Weitergabe der Kostenentwicklung und damit die anteilige Nutzerfinanzierung verzichtet werden.
Im Szenario einer zweiten Pandemiewelle wäre eine Preismaßnahme kein ausreichendes Instrument, um entstehende Einnahmenausfälle auch nur annähernd zu kompensieren.
Die Fahrgastzahlen sind auch gesunken, weil dem ÖPNV zum Teil ein schlechtes Image als Virenschleuder anhaftet. Was können Sie dieser Wahrnehmung entgegenhalten?
Festzuhalten ist, dass die Fahrgastzahlen gesunken sind, weil drastische Maßnahmen ergriffen wurden (Lockdown, Home-Office, Kurzarbeit, Freizeiteinschränkungen).
Leider war zu Beginn der Corona-Krise auch durch Politik, Medien und Arbeitgeber eine Stigmatisierung des ÖPNV („Virenschleuder“) festzustellen, die dem Beförderungsauftrag und Image nicht dienlich war. Dies hat man inzwischen auf breiter Ebene realisiert und unterstützt nun Maßnahmen zur Aufklärung und Kundenrückgewinnung.
Aktuellen Statistiken bei den zuständigen Gesundheitsämtern zufolge bestehen auch keine objektiven Anhaltspunkte für ein erhöhtes Infektionsrisiko in Bussen und Bahnen.
Ebenso sind die Verkehrsunternehmen mit ihren zahlreichen Mitarbeitern bislang ohne größere Ausfälle durch die Krise gekommen.
Wie kann man den Bürgern in Zeiten von Corona den ÖPNV wieder schmackhaft machen?
Die Verkehrsunternehmen setzen die staatlichen Vorgaben um und versuchen, einen „sicheren“ Rahmen zu schaffen (Schutzscheiben beim Vordereinstieg, häufige Desinfektion der Fahrzeuge und Schutzmaskenpflicht in Fahrzeugen und an Haltestellen). Deren Kontrolle und Durchsetzung ist eine hoheitliche Aufgabe und obliegt nicht den Verkehrsunternehmen oder dem Fahr- und Kontrollpersonal. Dies kann auch nicht vom Fahrer erwartet werden, dessen vordringliche Aufgabe es ist, die Kunden pünktlich und unfallfrei von A nach B zu bringen.
Mit der Zielsetzung einer Rückgewinnung von Fahrgästen wurden bundesweite Marketingkampagnen angestoßen (#BesserWeiter), die zum einen den Dank an die vielen Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen richten, zum anderen aufklären und informieren hinsichtlich der Maskenpflicht in Bus und Bahn und zuletzt attraktive Zusatzangebote für die Fahrgäste bewerben. Beispielhaft sei genannt das landesweite Angebot für alle Stammkunden „bwSommer Abo“ oder auch digitale Angebote, wie zum Beispiel das neue Handyticketangebot Fairtiq im RVL.
Zu guter Letzt äußerte die SPD im Landkreis Kritik daran, dass mit der neuen App des Regio-Verkehrsverbunds Lörrach zwar Einzelfahrkarten bargeldlos erworben werden können, nicht aber das Ein-Euro-Ticket. Warum ist das so?
Festzuhalten ist, dass Fairtiq als „Check-In-Check-Out-System“ zunächst einmal ermäßigte RVL-Einzelfahrscheine für alle Preisstufen im ganzen RVL-Verbundgebiet anbietet.
Dies wurde im RVL zum 1. Juli erfolgreich lanciert und wurde prioritär umgesetzt – gerade in Anbetracht von Corona mit einem bargeldlosen und berührungsfreien Medium. Insofern fanden wir die heftige Kritik etwas befremdlich.
Die Prüfung des Vertriebs weiterer Tickets und Tarife über Fairtiq erfolgt gemeinsam mit dem Anbieter. Dazu gehört auch die Fragestellung, ob und wie eine Mehrfahrtenkarte wie das Ticket4Lörrach in diese Systematik implementiert werden kann. Bekanntlich geht es dabei um vier nochmals ermäßigte Fahrten (und nicht eine Einzelfahrt), die alle innerhalb der Gemarkung der Stadt Lörrach stattfinden und einer zeitlichen Restriktion unterliegen.
Das ist nicht trivial, denn Fairtiq ist kein Handyticket mit einem sogenannten Katalogverkauf von Fahrscheinen, sondern, wie erwähnt, ein Check-In-Check-Out-System. Der RVL ist in dieser Fragestellung mit Fairtiq im Gespräch, und es werden mögliche Ansätze geprüft. Wir sind zuversichtlich, dass es gelingen wird, auch eine lokale Sonderlösung wie das Ticket4Lörrach abzubilden.