Lörracher Jahresrückblick Ein Sommer mit tiefen Einblicken auf Burg Rötteln – Die trinationale archäologische Grabung

Heiko Wagner, Andreas Haasis-Berner und Bertram Jenisch
Zuerst waren die Kräfte dabei, die neuzeitliche Schicht abzutragen, bevor sie tiefer in die Geschichte eintauchen können. Foto: Marco Fraune

Der Europäischen Union ist es zu verdanken, dass im Sommer 2023 im Rahmen des „Interreg VI“-Projekts „Burgen am Oberrhein“ eine neunwöchige archäologische Grabung auf der Burg Rötteln durchgeführt werden konnte. Geschichte muss zum Teil wohl neu geschrieben werden.

Unter der Federführung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG) und des Landesamts für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart erhielten interessierte Laien unter fachlicher Anleitung Einblick in die Arbeitsweise der Archäologie. Das Besondere war nämlich, dass die Ausgräberinnen und Ausgräber 49 ehrenamtlich tätige Personen aus Deutschland, dem Elsass und der Schweiz waren.

Der örtliche Grabungsleiter Heiko Wagner ist begeistert von den zahlreichen grenzüberschreitenden Kontakten, sie „förderten die Sprachkenntnisse und bereicherten die Grabung auch durch den jeweiligen Humor“. Die Freiwilligen waren immer ein oder zwei Wochen auf der Lehrgrabung, das sollte möglichst vielen die Gelegenheit zur Teilnahme geben. Das Projekt wurde vom Röttelnbund und seiner Arbeitsgruppe durch die Bereitstellung von Arbeitsräumen und tatkräftige Mithilfe großzügig unterstützt.

Das Grabungs-Vorgehen

Zunächst galt es, die Sondageschnitte so zu wählen, dass mit den klein dimensionierten, „chirurgischen Schnitten“ Erkenntnisse zu ungeklärten Fragen der Baugeschichte der imposanten Burganlage zu gewinnen waren. Dort begannen die Ehrenamtlichen planmäßig zu graben, die im Laufe der Geschichte abgelagerten Schichten und Mauerreste freizulegen und Funde zu bergen. Um die Teilnehmenden der Grabung mit den Grundlagen der archäologischen Dokumentation vertraut zu machen, wurden vor allem die herkömmlichen Techniken, wie das Zeichnen auf Millimeterpapier und einfache Methoden der Vermessung, vermittelt. Diese lassen sich auch ohne teure Ausrüstung im Gelände anwenden. Der Freiburger Grabungstechniker Oliver Henrici (LAD) vermittelte zusätzlich neuere Methoden der Vermessung mit dem Tachymeter sowie der dreidimensionalen Erfassung von Grabungsbefunden. Schwer einsehbare Teile der historischen Mauern dokumentierte der ehrenamtlich Beauftragte Hans-Jürgen van Akkeren mit mehreren Drohnenflügen.

Ergänzend zu der schweißtreibenden Geländearbeit gab es für die freiwilligen Helferinnen und Helfer ein umfangreiches Freizeitprogramm mit dem Besuchen der Kirche Rötteln (Grablege der Burgbesitzer), der Wasserburg Inzlingen und der Römervilla Grenzach. Zusätzlich fanden gegenseitige Besuche auf Ausgrabungen im Elsass und im Breisgau statt, dadurch kam es zum grenzüberschreitendem Austausch von Kenntnissen und Arbeitsmethoden.

Im nördlichen Teil der Oberburg wurden insgesamt acht Grabungsschnitte angelegt. Durch die andauernde Hitze war die Grabung zwar für die Helferinnen und Helfer sehr anstrengend, die trockene Witterung förderte jedoch die Grabungsfortschritte.

Ein heftiges Unwetter in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli führte allerdings zu Schäden an der Burg, Personen waren aber nicht betroffen.

Reichhaltige Ergebnisse

Bei der Forschungsgrabung wurden Teile der aus dem 12. Jahrhundert stammenden ältesten Ringmauer aus Kalkstein des obersten Burgteils freigelegt. Damals bestand der große Bergfried, der die Oberburg prägt, noch nicht. Im Bereich der vermuteten Burgkapelle am nördlichen Ende des Burghofes gab es im 13. und 14. Jahrhundert einen Backofen, eine Küche und eine Metzgerei, ab dem 15. Jahrhundert dann einen Saal für die Burgmannschaft. Für die tatsächliche Position der Kapelle bestehen inzwischen neue Überlegungen, die aber noch durch weitere Bauforschungen abgesichert werden müssen.

Auch der Zugang in die frühe Burg verlief ganz anders als heute. Er führte um die Burg herum zu einem Tor auf der Ostseite, wo noch Reste eines Torturms vorhanden sind. Im 13. Jahrhundert entstand eine ausgedehnte Unterburg, deshalb wurde der Zugang in die jetzige Oberburg auf ihre Südseite verlegt. Durchgreifende Baumaßnahmen und mächtige Auffüllungen veränderten besonders im 15. Jahrhundert die Oberburg. Sehr zahlreich war das Fundmaterial mit einigen Waffenteilen, Münzen, Keramik und Ofenkacheln.

Die Pressetermine und Führungen an zwei Tagen der offenen Grabung stießen auf gute Resonanz. Gleich am Grabungsende folgte am 22. Juli die Tagung der ehrenamtlich Beauftragten der Denkmalpflege des gesamten Regierungsbezirks im Dreiländermuseum mit Einblicken in die neuen Erkenntnisse.

Ausblick

Die zahlreichen Funde wurden inzwischen durch die Ehrenamtlichen in Freiburg gewaschen, beschriftet und erfasst; ein Teil befindet sich bereits in der Restaurierung in Esslingen und Freiburg. Die Knochenfunde werden osteologisch untersucht und sollen außerdem Gegenstand einer Masterarbeit werden. Eine bauhistorische Erfassung der Oberburg durch die freiberufliche Bauforscherin Dr. Katharina Herrmann ist seit dem Hochsommer 2023 in Arbeit. Weitere Flächen sollen geophysikalisch untersucht werden, um so einen zerstörungsfreien Blick in den Untergrund zu gewinnen. Mehrere Vorberichte zu den ersten Ergebnissen sind in Arbeit. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für eine Wanderausstellung des Gesamtprojektes, die im Frühjahr 2025 zunächst in der Pfalz und dann im Elsass gezeigt werden wird. Die wichtigsten Rötteler Funde werden danach ihren endgültigen Platz im Burgmuseum Rötteln finden.

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