Krankenhaus-Debatte Leitende Ärzte verlassen die Schopfheimer Klinik

Anja Bertsch
Die Situation im Schopfheimer Krankenhaus ist angespannt. Foto: Anja Bertsch

Krankenhaus-Debatte: Drei Oberärzte der „Inneren“ kündigen nach Gespräch mit Klink-Chef Sartor

Die Situation am Schopfheimer Krankenhaus spitzt sich zu: Am Dienstagabend reichten drei von fünf Oberärzten der Abteilung „Innere Medizin“ ihre Kündigung ein. Ein vierter folgt womöglich in den nächsten Tagen. Dieser drastische Schritt stand am Ende eines zweistündigen Gesprächs zwischen den Ärzten und Sascha Sartor, Geschäftsführer der Kreiskliniken.

Von Anja Bertsch

Schopfheim. Thema des Gespräches waren die geplanten Umstrukturierungen der Kreiskliniken, die insbesondere für den Schopfheimer Standort harte Einschnitte mit sich bringen: In wenigen Monaten sollen hier nur noch die psychiatrische Abteilung und das MVZ ihren Platz haben.

Auf der Suche nach einem gangbaren Weg hatten die Oberärzte im Vorfeld des Gesprächs Bedingungen formuliert, unter denen sie die Veränderungen hätten mittragen können, erläutert einer der Oberärzte im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Es braucht weiter eine Notaufnahme“

Wichtige Forderung dabei: „In Schopfheim muss es weiterhin zumindest eine ambulante Notaufnahme geben, die der Bevölkerung rund um die Uhr als Anlaufstation zur Verfügung steht.“ Auch für die Rettungsdienste sei es – Stichwort Fahrtwege – wichtig, dass es weiter eine (erste) Anlaufstelle vor Ort gebe, an der entschieden werde, ob es mit einer ambulanten Versorgung getan sei oder ob der Patient zum stationären Aufenthalt nach Rheinfelden oder Lörrach gebracht werden müsse.

„Die medizinische Versorgung für die Raumschaft Schopfheim muss weiterhin garantiert sein“, betont der Arzt – und sieht eben das in den aktuellen Plänen der Klinikleitung nicht gegeben: Diese sehen vor, dass die Rettungsdienste ihre Patienten aus dem mittleren und Oberen Wiesental künftig direkt nach Rheinfelden oder nach Lörrach bringen.

"Lange Wege gefährden die Notversorgung"

Auch Patienten, die die Notaufnahme auf eigene Faust aufsuchen, müssten diesen Weg gehen beziehungsweise fahren – es sein denn, sie passen von ihren Beschwerden her und vom zeitlichen Auftreten derselben ins Schema des hier ansässigen chirurgischen MVZ und seiner Öffnungszeiten.

Aktuell wird die Notaufnahme in Schopfheim weitgehend von den Ärzten der „Inneren“ gestellt; vier Mediziner teilen sich die Notarzt-Dienste. Die Abteilung aber – und mit ihr die Ärzte – sollen im Zuge der Umstrukturierungen nach Rheinfelden umziehen.

"Die Entscheidung ist gefallen"

Auf die Forderung nach dem Aufbau einer ambulanten Notaufnahme jedoch sei der Geschäftsführer in dem Gespräch nicht eingegangen. Dieser habe sich auf die Position zurückgezogen, dass die Angelegenheit vom Kreis als Eigentümer Kliniken so beschlossen sei; daran könne er, Sartor, nicht rütteln, berichtet einer der beteiligten Ärzte.

Weiterer wichtiger Punkt des Gesprächs war die Frage nach den Rahmenbedingungen, unter denen ein Umzug der Inneren Abteilung inklusive Diabetologie nach Rheinfelden gelingen könnte: Personal, Räumlichkeiten, Verantwortlichkeiten. Auch hier hätten die betroffenen Ärzte Vorschläge vorgelegt – und auch hier habe man im Gespräch mit Sartor den Eindruck gewonnen, dass Vorstellungen und Belange der Belegschaft in Schopfheim und auch in Rheinfelden nicht angemessen berücksichtigt werden sollen.

Maraun: „Medizinisch und persönlich eine Katastrophe“

Drei der Oberärzte hätten angesichts des ernüchternden Gesprächsverlaufs direkt vor Ort ihre Kündigungen auf den Tisch gelegt. Ein vierter hegt noch die Hoffnung, dass die Entscheider sich den Argumenten in den nächsten Tagen doch noch zugänglich zeigen und dies auch konkret hinterlegen. Andernfalls werde auch dieser kündigen, heißt es. Und weitere könnten folgen: Ingesamt hatten 19 Schopfheimer Ärzte in Reaktion auf die Pläne mit Kündigung gedroht. Wirksam werden die nun eingereichten Kündigungen auf August bzw. Dezember.

„Für mich ist das medizinisch wie persönlich eine absolute Katastrophe. Ich bin fassungslos und versuche noch immer, zu verstehen, was hier gerade vor sich geht“, bekennt Michael Maraun, Chefarzt der Inneren Medizin und Leiter der renommierten Diabetologie, am Tag nach den Gesprächen offen seine Betroffenheit.

„Diese Ärzte fahren die Notdienste, und gemeinsam sind wir ein über lange Jahre hinweg eingespieltes Team in der Leitung der Abteilung“, sagt er. „Ich weiß nicht, wie ich es ohne die drei schaffen soll, den Betrieb aufrecht zu erhalten.“

Betroffene bezweifeln Sinn und Zweck der Umstrukturierung

Maraun hatte dem Gespräch in seiner Funktion als Leiter der „Inneren“ beigewohnt, sich in der inhaltlichen Diskussion aber zurückgehalten und eher versucht, Brücken zwischen Geschäftsführer und Oberärzten zu bauen, berichtet er. „Da aber war an diesem Abend nichts zu machen.“

Ebenso wie „seine“ Ärzte steht Maraun den Plänen der Klinikleitung kritisch gegenüber und kann die Sinnhaftigkeit der geplanten Maßnahmen absolut nicht erkennen – besonders angesichts des auf zwei bis drei Jahre angelegten Provisoriumscharakters bis zur „großen“ Lösung im neuen Zentralklinikum: Die Auflösung etablierter und eingespielter Strukturen und Mitarbeiterteams am Schopfheimer Standort, die große Verschieberei von Abteilungen, Zuständigkeiten und vor allem von Mitarbeitern, und nicht zuletzt der Umstand, dass die Betroffenen nicht in die Überlegungen einbezogen und mitgenommen wurden. „Bis jetzt konnte uns niemand darlegen, wie das zur Lösung der unbestreitbar vorhandenen wirtschaftlichen Probleme der Kreiskliniken beitragen soll“, sagt Maraun.

„Ohne Personal wird es schwierig“

Als Leiter sieht er sich nun in der Pflicht, seine Abteilung mit Blick auf seine Mitarbeiter – unter ihnen über ein Dutzend Assistenzärzte – und auf die Patienten irgendwie auf Kurs zu halten. „Aber ohne Personal wird das schwierig.“

Diese Problem trifft zwar aus aktuellen Gründen besonders Schopfheim. Tatsächlich aber verzeichnete auch der Lörracher Standort im vergangenen Jahr einen empfindlichen Exodus (nicht nur) an Oberärzten.


Klinik äußert sich nicht

Von Seiten der Klinik gibt es zum Vorgang keine Stellungnahme. „Aus grundsätzlichen Erwägungen äußert sich die Klinikleitung im Moment nicht zu personellen Themen“, schreibt Pressesprecherin Marion Steger auf Anfrage unserer Zeitung und verweist für Weiteres auf die Sondersitzung des Kreistags, in der gestern Nachmittag über die Umstrukturierung gesprochen wurde.

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