Weil am Rhein Keine Abwehr gegen französische Besatzer

Johannes Foege
Die ersten französischen Besatzungstruppen 1945 unter Capitaine Dussard Foto: zVg/Stadtarchiv

Serie: Teil 1: Kriegsende im Spiegel der Weiler Chroniken /Johannes Foege dokumentiert Zeugenaussagen um den 8. Mai 1945

Weil am Rhein - In der dreiteiligen Serie „Tagebuch einer Kleinstadt zum Ende des Zweiten Weltkriegs“ wertet Gastautor Johannes Foege die Ereignisse in den letzten Wochen vor und nach dem 8. Mai 1945 in Weil am Rhein dokumentarisch aus. Im ersten Teil „Das Kriegsende im Spiegel der Weiler Chroniken und zeitnaher Quellen“ fasst er Zeugenaussagen über die Übernahme der französischen Truppen und über die Gefühlslage der Bürger zusammen.

Dokumentationslage dürftig

Die Dokumentationslage zum Kriegsende in Weil am Rhein ist dürftig. Wer wissen will, was sich in den letzten Wochen vor und nach dem 8. Mai 1945 in Weil ereignete, findet dazu in der „offiziellen Geschichtsschreibung“, das heißt in den Chroniken der Stadt Weil am Rhein, wenig detaillierte Hinweise. Der erste Ortschronist Karl Tschamber, dessen „Chronik der Gemeinde Weil“ 1928 erschien, verstarb 1932.

1955 übertrug der Gemeinderat von Weil seinem Mitglied Ludwig Keller die Aufgabe, die Chronik zu überarbeiten und zu ergänzen. Sie erschien 1961 unter tatkräftiger Mitarbeit der damaligen Stadträte Edgar Dietz und Friedrich Resin sowie des Stadtamtmanns Wucherer.

In seiner Überarbeitung der Stadtchronik finden die Ereignisse ab dem 24. April 1945 – als französische Truppeneinheiten in Sturmbooten den Rhein überquert und die Ortschaften auf der badischen Seite weitgehend kampflos übernommen hatten – auf knapp zwei Seiten eine eher kursorische Betrachtung.

Das Ende im Dreiländereck

Im Jahrbuch für Weil am Rhein 1990 wird am Ende des Artikels „Fliegerangriff auf das Stauwehr“ von Bruno Rabus, dem ehemaligen Stadtarchivar, der Einmarsch der französischen Truppen in Weil am Rhein kurz erwähnt: „Endlich, in der Morgenfrühe des 24. April 1945, flitzten Sturmboote vom elsässischen Ufer über den Rhein und setzten französische Truppen ans badische Rheinbord, ohne dass von deutscher Seite ein Versuch zur Abwehr erfolgte. Der Krieg war im Dreiländereck damit beendet.“

1986 feierte die Stadt Weil am Rhein die Ersterwähnung ihres Namens vor 1200 Jahren. Auf diesen Anlass hin hat Ludwig Sepaintner von der Stadt den Auftrag erhalten, zusammen mit weiteren Bearbeitern eine ergänzende Stadtgeschichte zu konzipieren, die einen neuen Blick auf Weil am Rhein ermöglichen und auch allen damals neuen Stadtteilen gerecht werden sollte.

Das Ende des Dritten Reiches und damit auch der in Weil am Rhein wirksamen Nazidiktatur findet auf einer halben Seite Erwähnung durch Wiedergabe der kursorischen Aufzeichnungen des katholischen Pfarrers in Haltingen, Paul Lehmann.

Lehmann notierte unter dem Datum 26. Juli 1945: „Der Einmarsch der Franzosen geschah in bester Form. Es gab gar keine Zwischenfälle. Nach zwei Tagen rückten die Fronttruppen wieder ab. Und damit begannen die Plünderungen und Schändungen bei Tag und Nacht. Ganze Gruppen mit und ohne Auto kamen, brachen in die Häuser ein und nahmen mit, was da war.

Nach etwa zehn Tagen kamen Besatzungstruppen und damit wurde es besser, wenn auch noch manches zu beanstanden war. Heute (26. Juli 1945) ist Besatzung da, Marokkaner und andere.“

Gefühlslage am Oberrhein

Die Gefühls- und damit Angstlage der Bevölkerung wird nachvollziehbar bei einem Blick auf die militärische Befehlslage, auf die Flugblätter und Plakate für die Truppe und für die Zivilbevölkerung am Oberrhein.

Sie zeigen die Denkweise der handelnden militärischen und politischen Nazi-Führer in der Region. Sie brachten zum Ausdruck, was jahrelang offiziell gesagt, von vielen geglaubt und sicherlich von nicht wenigen im Alltag umgesetzt wurde. Sie zeigen aber auch, welches Risiko diejenigen eingingen und welcher Mut erforderlich war, den einmarschierenden französischen Verbänden mit weißer Fahne kapitulierend entgegen zu treten.

Auszüge aus dem Text von Flugblättern und Plakaten: „Deutsche Männer und Frauen am Oberrhein! Nationalsozialisten! Mit einem Gewaltstoß versucht der Feind jetzt in unsere engere Heimat einzubrechen. Damit gilt es für uns am Oberrhein, nunmehr auch die härteste Belastungsprobe zu bestehen. Wir wissen, wer uns gegenübersteht, und wir wissen, was sie mit uns vorhaben.

Die gaullistischen Negerdivisionen sollen wieder als schwarze Schmach auf unsere Frauen losgelassen werden, während hinter den Amerikanern die Juden als Besatzungsoffiziere, Militärpolizisten, Wirtschaftsausbeuter auf die Stunde ihrer Rache lauern. Alle sind nur die Schrittmacher des Bolschewismus willens, das Reich zu zerstören, es dem Hunger auszuliefern, das deutsche Volk auszurotten.“

„Soldaten an der Oberrheinfront! Gegen diese Absichten unserer Feinde gibt es nur eines: Kampf bis aufs Messer mit allen Mitteln, mit letzter Kraft. Der Westwall muss mit fanatischer Härte verteidigt werden!“

Am 13. April 1945 wurde den militärischen und zivilen Stellen des Armeeoberkommandos 19 (Oberrhein) per Fernschreiben der Führerbefehl übermittelt, dass jeder militärische Befehlshaber, der nicht bis zur letzten Patrone kämpft, Verrat an der Verteidigung des Reiches übe und der kriegsgerichtlichen Aburteilung wegen feiger Übergabe an den Feind übergeben werden müsse mit der grundsätzlichen Folge der Todesstrafe.

Vor diesem Hintergrund sind die Ereignisse in Weil am Rhein am 24. April 1945 und den folgenden Tagen und Wochen zu bewerten.

Info: Den zweiten Teil „Tage voller Schmach, Kummer und Sorgen" lesen Sie hier, den dritten Teil "Hamster-Zeiten und Liebesgaben" lesen Sie hier.

Der Gastautor Johannes Foege ist ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Rechtsgeschichte der Universität Freiburg.

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