Wohnen in Lörrach Zu teuer und unsicher – Baugenossen würden eigentlich gerne bauen

Marco Fraune
Der Wohnungsbestand der Baugenossenschaft beträgt 951. Viele davon liegen im Quartier zwischen der Hartmattenstraße und der Raiffeisenstraße. Im Bild (v.l.): Geschäftsführer Andreas Seiter, Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Schneucker und Markus Lacher (nebenamtliches Vorstandsmitglied). Foto: Marco Fraune

Die Baugenossenschaft Lörrach setzt auf die Sanierung im Bestand. Wirtschaftlich läuft es gut für die Genossen. Es gibt aber auch zu meisternde Herausforderungen wie die Heizkosten und die Bürokratie.

Hohe Baupreise, steigende Zinsen und „unvermindert hohe technische Vorgaben“ lassen laut dem Geschäftsführer der Baugenossenschaft, Andreas Seiter, einen Neubau von Mietwohnungen aktuell nicht zu. Es fehle eine vertretbare Wirtschaftlichkeit, da ansonsten rund 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangt werden müssten – 15 Euro wären es im geförderten Bereich. „Die Wirren rund um das Heizungsgesetz und die Förderpolitik, welche immer komplexer und undurchschaubarer werden, tun ihr Übriges“, schilderte Seiter am Freitag beim Jahresbilanzgespräch als Vorstandsspitze der Baugenossenschaft Lörrach. Daher sei eine gewisse Zurückhaltung geboten, um auf dem regionalen Markt die erforderlichen Investitionen gegen den Klimawandel seriös, sicher und klimafreundlich zu platzieren.

Konkret würde die Baugenossenschaft gerne eine Baulücke an der Raiffeisenstraße in Höhe der Untereckstraße schließen. Hier befinden sich bisher zwischen den beiden Häuserblocks noch Garagen. Doch angesichts der dann fälligen 20 Euro Mietpreis wird vorerst Abstand davon genommen. „Es gibt ansonsten nichts in Planung, was uns auch leid tut“, erklärt Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Schneucker, der auf faire Mieten setzt.

Grenze des Machbaren

Jahrzehntelange Mieter zahlen teilweise noch vier Euro pro Quadratmeter, beim neuesten Objekt am S-Bahn-Halt Burghof sind es zwölf Euro. Im Schnitt fallen für Baugenossenschafts-Mieter 7,40 Euro an. „Die Miete ist sehr sozial“, unterstrich Schneucker im Gespräch. Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum hätten sich die Rahmenbedingungen laut Seiter aber deutlich verschlechtert. In den vergangenen beiden Jahren seien die Kosten für den Neubau um fast 20 Prozent gestiegen, die Zinsen innerhalb von zwei Jahren um rund drei Prozentpunkte. „Hinzu kommen hohe bürokratische Auflagen.“

Dies Baulücke an der Raiffeisenstraße würde die Baugenossenschaft gerne schließen – doch dann wäre der Mietpreis zu hoch. Foto: Marco Fraune

Für die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes und die Dekarbonisierung seien zudem hohe Investitionen erforderlich, die die Wohnungswirtschaft belasten. Seiter: „Das Volumen der Landeswohnraumförderung ist unzureichend, um die erforderlichen bezahlbaren Wohnungen zu realisieren.“ Zudem sei das kurzfristige politische Agieren kontraproduktiv, da es den Markt verunsichere und mittelfristige Entwicklungen hemme. „Mit diesen Rahmenbedingungen ist es kaum mehr möglich, langfristig wirtschaftlich, ökologisch und sozial zu handeln. Wir geraten mit unserer genossenschaftlichen Idee an unsere Grenzen.“ Auch das Wirken des Lörracher Rathauses mit den Ausführungen von Bestimmungen bleibt bei der Kritik nicht außen vor. Langwierige Bebauungsplanänderungsverfahren bei eigentlich pragmatischen Überlegungen zur Schaffung von weiterem Wohnraum werden hier genannt.

Sanierung und Strom

Unabhängig von all diesen problematischen Rahmenbedingungen will die Baugenossenschaft ihren Wohnungsbestand weiter kontinuierlich modernisieren und zukunftsfähig halten. Zuletzt bildete die energetische Sanierung samt Balkon-Aufwertung an der Hartmattenstraße ein Millionenprojekt. Rund 160 Wohneinheiten wurden zuletzt in dem Quartier insgesamt in Schuss gebracht.

Ein Mieterstrommodell soll es in den nächsten Jahren vermehrt geben. Auf das von der Genossenschaft verpachtete Dach wird eine PV-Anlage installiert, der Strom an die Mieter geliefert, die so laut Seiter etwa zehn Prozent gegenüber den Kosten beim regionalen Anbieter sparen würden – ohne für die Anlage zu zahlen. Balkonkraftwerke hält der Geschäftsführer hingegen aufgrund der Sicherheit und der Optik für nicht umsetzbar.

Mehr Fernwärme

Allein im vergangenen Jahr kamen für die Modernisierung des Haus- und Wohnungsbestands rund 2,9 Millionen Euro zusammen. Darin enthalten waren Anschlüsse ans Fernwärmenetz – was fortgesetzt werden soll. Seiter: „Hier sind wir jedoch von der Umsetzung der Firma Ratioenergie abhängig.“ Insgesamt liegt der Wohnungsbestand bei 951 Wohnungen und elf Gewerbeeinheiten. Hinzu kommen noch 24 Studenten-Appartements und 842 Garagen und Stellplätze.

Die Zahl der Mieterwechsel lag mit 71 weiterhin auf einem niedrigen Niveau, die Fluktuationsrate betrug gut sieben Prozent, die Leerstandsquote bei 0,6 Prozent – Hauptgrund hier waren anstehende Generalsanierungen.

23 Millionen Eigenkapital

Wirtschaftlich wurden die eigenen Erwartungen trotz der schwierigen Rahmenbedingungen im vergangenen Jahr noch übertroffen, die Eigenkapitalquote erreicht über 40 Prozent. Rund 23 Millionen Euro liegen nun auf der hohen Kante. „Das ist für die Zukunft von großer Bedeutung“, will die Genossenschaft handlungsfähig sein. Eigenmittel würden auch für die Bestandsgebäude-Ertüchtigung benötigt. Ein großer Fokus liege darauf, die Verschuldung in vertretbarem Rahmen zu halten, so Seiter. Haupteinnahmequelle bleiben die Mieten, die nach 2019 erstmals wieder um nun sechs Prozent erhöht wurden. Ein Turnus von drei Jahren ist für Erhöhungen geplant, zuletzt aufgrund der allgemeinen Lage wurde diese aufgeschoben.

Die fast 1000 Wohnungen werden in Schuss gehalten. Foto: Marco Fraune

Nachfolger aus Weil

Wie sich die Heizkosten entwickeln werden, hängt einerseits vom Nutzungsverhalten der Mieter ab. Beim Liefervertrag wartet der Geschäftsführer noch auf einen passenden Moment, um für nächstes Jahr gute Konditionen am Markt zu erhalten. Eventuell soll es nach dem jüngsten Einjahresvertrag auch wieder ein längerfristiger werden.

Künftig wird damit der Nachfolger von Seiter betraut sein. Der bisherige Weiler Wohnbau-Geschäftsführer Andreas Heiler kommt im Mai nächsten Jahres. Seiter wird ihn dann bis zu seinem eigenen altersbedingten Ausscheiden bis Juli 2026 einarbeiten. Schon jetzt nimmt Heiler laut Schneucker an wichtigen Sitzungen teil, womit er wesentliche Strukturen kennenlernt.

Die Finanzlage

Vom erwirtschafteten Jahresüberschuss
von rund 1,1 Millionen Euro soll rund eine Million Euro in die Rücklagen fließen. 97 800 Euro werden als Dividende ausgeschüttet, womit diese von 1,75 auf 2 Prozent steigt. Die Zahl der Mitglieder stieg nochmals auf nun 2562 – der Höchstwert in der Baugenossenschaft-Historie.

Die Bilanzsumme
ist von 54 Millionen auf 52,3 Millionen Euro gesunken, die Verbindlichkeiten sind um rund 3,3 Millionen Euro. Das Eigenkapital erhöhte sich um 1,1 Millionen auf rund 23,2 Millionen, womit der Eigenkapitalanteil um fast zehn Prozent auf 44,2 Prozent stieg.

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