Zeller Haushalt Gemeinderäte erklären die Finanzen zur „Chefsache“

Verena Wehrle
Die Fraktionssprecher in Zell zeigen klare Kante in ihren Haushaltsreden: Thomas Kaiser, Bernhard Klauser, Matthias Kiefer und Hannelore Vollmer (im Uhrzeigersinn). Foto: /Fotostudio Decker

Die Fraktionssprecher sehen in Sachen Finanzen die Verwaltung in der Verantwortung und fordern auf, Einsparpotenziale aufzuzeigen.

„Zusammenfassend kann man sagen, dass wir nur dank unserer relativ hohen liquiden Mittel handlungsfähig bleiben“, sagte SPD-Fraktionssprecher Thomas Kaiser. „Positiv zu werten ist, dass wir die Freiwilligkeitsleistungen der Stadt wie Zuschüsse an Landwirtschaft, Tourismus und Vereine auch künftig aufrechterhalten.“ Mit der Ortsverbindungsstraße Riedichen-Gaisbühl werde eine der am dringendsten sanierungsbedürftigen Straßen für 160 000 Euro erneuert. „Wir setzen uns dafür ein, dass in den kommenden Jahren weitere Straßensanierungen erfolgen werden.“

SPD bedauert „Verschiebe-Bahnhof“

Die Meinung des Bürgermeisters zum Bahnhofsvorplatz teilt die Fraktion nicht, sie bedauere die erneute Verschiebung: „Es besteht dringender Handlungsbedarf in Bezug auf Behindertenfreundlichkeit, Gestaltung und Ausweisung von Bushalteparkplätzen.“

Zum Bahnhofsvorplatz herrscht im Zeller Gremium keine Einigkeit. Foto: MT-Archiv/MT-Archiv

Sorgen bereite die Entwicklung der Schulden

Große Sorge bereite der Fraktion die Entwicklung der Schulden: Die Gesamtschulden würden sich um 1,4 Millionen Euro auf 17,5 Millionen Euro erhöhen. Dies entspreche einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 2900 Euro. Kaiser sagte: „Trotz schwieriger Zahlen blicken wir positiv in die Zukunft.“

Forderung an Verwaltung: CDU stellt Antrag auf 5-Jahres-Finanzplan

„Schon in den Haushaltsreden der vergangenen beiden Jahre, hat die CDU-Fraktion darauf hingewiesen, dass die Stadt Zell über ihren Verhältnissen lebt“, so Matthias Kiefer. „Mehr Einnahmen zu weniger Ausgaben – so sollte die korrekte Gleichung heißen.“ Die Fraktion wolle der ernsten Lage begegnen. „Das Thema städtische Finanzen und deren Entwicklung bereiten uns Sorge und müssen zur Chefsache erklärt werden“, machte er deutlich: „Den in der Finanzausschusssitzung an die Gemeinderäte gerichteten Appell: ’So können Sie nicht weiter machen’ ist aus unserer Sicht falsch. So kann die Verwaltung nicht weitermachen!“ Finanzielle Potenziale und deren Fördermöglichkeiten, sowie Einsparpotenziale zu erkennen, seien Aufgaben der Stadtverwaltung und nicht des Gemeinderats. Wegen der hohen Belastung des Fachbereichs Finanzen sei es sinnvoll, die IT-Aufgaben auszulagern, um die gewonnene Zeit intensiv für die Fördermittelsuche zu nutzen. Die CDU-Fraktion stellte deshalb den Antrag an die Verwaltung, eine 5-Jahres-Finanz-Planung aufzustellen. In dieser soll aufgezeigt werden, wie sich die Einnahmen und Ausgaben der Stadt Zell in der nächsten Zeit entwickeln werden. Ebenso soll diese Lösungswege aufzeigen, wie der Haushalt in der Zukunft aufgestellt sein muss, um im Ergebnishaushalt ausreichend Überschüsse zu erwirtschaften.

Wo überall Potenzial schlummert

„Es schlummert Potenzial ungenutzt, oder es geht einfach viel zu lange“ – als Beispiel dafür nannte Kiefer das erweiterte Baugebiet in der Schwarznau, mit welchem sich Einnahmen generieren lassen würden. „Seit zweieinhalb Jahren geht es hier nicht vorwärts.“ Auch müsse man wieder mehr Gewerbe in Zell ansiedeln. Zudem brauche es mehr Zuweisungen als Schulträger – die Fraktion schlägt ein Strategiepapier vor, das aufzeige, wie wieder mehr Schüler zu gewinnen sind: „Die Realschule ist so attraktiv wie nie, perfekt ausgestattet, und trotzdem sind die Schülerzahlen rückläufig.“

Kiefer erinnerte zudem: „Seit mehr als zwei Jahren liegt ein Antrag vor, den Verkauf der Häuser Bahnhofstraße 22 sowie Schönauer Straße 30 zu prüfen. Hier bitte ich nachdrücklich, diesem nachzukommen.“ Es fehle an kreativen Ideen aus der Verwaltung und deren Umsetzung.

Forderungen über all die Jahre: Aber ohne Erfolg

Eine abschließende Einschätzung des Haushaltsplan ist laut Bernhard Klauser vom Bürgerforum fast unmöglich. Die Rechnungsabschlüsse 2020, 2021, 2022 sowie 2023 lägen bis dato nicht vor. Und es sei nicht bekannt, was sich hinter gewissen Sammelposten verbirgt. Bereits in der ersten Finanzausschusssitzung habe er klar gemacht, dass die Verwaltung gefordert ist, Einsparpotenziale aufzuzeigen, und nicht die Gemeinderäte.

Klauser zählte einige Forderungen auf, die er in den vergangenen Jahren mehrmals getätigt habe – die aber bis heute nicht realisiert wurden. Dabei nannte er die Zukunftswerkstatt und den dafür sinnvollen Einsatz finanzieller Mittel, die er 2021, 2022 und 2023 gefordert hatte. Auch das Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) sollte erarbeitet werden, wie Klauser bereits 2023 betont hatte – entsprechende Mittel seien im Haushalt eingestellt worden.

Wohin sind die Mittel geflossen?

Als Begründung für die Streichung der Mittel im Haushalt 2024 werde die Ablehnung des Zuschussantrags angeführt. Dazu fragte Klauser: „Wohin sind die im Gesamtfinanzhaushalt 2023 eingeplanten Mittel geflossen? Wenn im Haushalt 2024 dieselben Mittel eingeplant werden, müsste dann nicht die Finanzierung sichergestellt sein? Und was passiert, wenn wir auch 2025 keine Mittel für ein GEK einplanen? Verzichten wir künftig auf Fördermittel ab 2026, ohne die wir ja bekanntermaßen keinerlei Investitionen tätigen können?“

Kein Interesse an der Zukunft von Zell?

Unabhängig der finanziellen Folgen sei die Zukunftswerkstatt elementar für die Gestaltung der Zukunft. „Hat unser Bürgermeister und auch der Gemeinderat keine Vorstellungen oder kein Interesse an der Zukunft von Zell?“, fragte Klauser. Die Fraktion erwartet, dass der Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2019 zu Zukunftswerkstatt, Leerstandsmanagement und Wirtschaftsgespräche nun konsequent umgesetzt werde. Aus diesen Gründen stimmte die Fraktion dem Haushaltsplan 2024 mehrheitlich nicht zu.

Keine Wunschträume

Hannelore Vollmer, Sprecherin der Freien Wähler, sagte: „Das Ziel, annähernd an eine schwarze Null zu kommen, haben wir mächtig verfehlt und das ohne, dass wir Wunschträume gehabt hätten.“ Die Stadt Zell stehe nicht alleine da mit einem nicht ausgeglichenen Haushalt. Doch es sei nicht generationsgerecht, jetzt gar nichts mehr zu investieren. Erfreulich sei, dass auf zusätzliche Belastungen der Bürger weitgehend verzichtet wurde.

Tourismus ist wichtig

Kritisch sehe die Fraktion, dass aus dem Stadtwald so gut wie kein Reingewinn kommt. Denn dieser sollte eigentlich den Notgroschen liefern für solch schwierige Zeiten wie jetzt. Investitionen seien vor allem im Tourismus sinnvoll. Dieser sei wichtig, da andere Einnahmen wegfallen würden, sagte Vollmer.

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