Lörrach Gelebte Nachbarschaftshilfe nach dem Hochwasser

Kristoff Meller und Gabriele Hauger

Tumringer helfen sich nach Sturzflut gegenseitig. Stadt verschafft sich Überblick über Schäden.

Lörrach - „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Die meisten Betroffenen der Überflutungen in Tumringen wurden von der Sturzflut am Freitag völlig überrascht. Die Schäden sind teils enorm, gleichzeitig bildete sich innerhalb kürzester Zeit eine beeindruckende Nachbarschaftshilfe.

Bewohner helfen sich gegenseitig

Sie schleppen beschädigte Möbel an die Straße, entfernen Schlamm und reißen Tapeten, Teppichböden sowie Parkett aus Kellern und Wohnzimmern: Bis zum späten Freitagabend sowie den ganzen Samstag halfen sich die Bewohner des Scheibenackerwegs gemeinsam mit weiteren Freunden und Bekannten gegenseitig.

Mehrfach wurden die Schuttmulden am Samstag gefüllt, abtransportiert und wieder gebracht. Denn die kleine Stichstraße am oberen Rand des Stadtteils traf es besonders hart – fast alle Häuser waren laut Anwohnern betroffen.

Video: Ein Anwohner hat den schlammigen Sturzbach gefilmt, der am Freitag minutenlang an ihm vorbeirauschte

Auf einmal sei ein reißender Fluss den Hang hinab gekommen und habe sich einen Weg durch die Gärten, Keller und Wohnzimmer gesucht: „Ich habe die toten Fische aus einem Teich zwei Häuser weiter unten in einem Keller gefegt“, berichtete ein Anwohner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Spontanes Helferfest mit Pizza am Güggelbrunnen

Auch in der Luckestraße, die kurzzeitig wie ein Wildwasserfluss aussah, wurde die Nachbarschaftshilfe aktiv gelebt. Wer nicht selbst betroffen war, half an anderer Stelle mit, räumte Garagen und Keller leer, oder beseitigte größere Asphaltbrocken, welche die Wassermassen zurückgelassen hatten.

Am späten Freitagabend wurde dann mit Pizza am Güggelbrunnen ein kleines Helferfest gefeiert.

Wasser bricht sich unvorhersehbar Bahn

An sich glimpflich davon gekommen war beispielsweise der Mühlestückweg. Wie unvorhersehbar sich das Wasser aber zuweilen Bahn bricht, konnte man daran erkennen, dass in einer Doppelhaushälfte der eine Keller volllief, der andere nicht.

Passiert so etwas, ist der Zeitpunkt meistens denkbar ungünstig: Der Familienpapa bei der Arbeit, die junge Mutter mit drei kleinen Kindern allein zuhause, als das Wasser in die Kellerräume fließt.

Nachbarn boten spontan ihre Hilfe an. Doch das war nicht einmal nötig. Denn schon standen drei per Whatsapp informierte junge Freunde vor der Tür und halfen, das gesamte Inventar auszuräumen. „Drei starke Männer, ich denke, das reicht“, konnte die Anwohnerin schon wieder lachend vermelden.

Tiefgarage überflutet

An der Kreuzung Mühle- und Freiburger Straße waren mehr helfende Hände nötig. Denn das Restaurant „Mättle“ und der große Neubau an der Ecke wurden ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen: „Die Keller und die Tiefgarage wurden geflutet, der schwerwiegendste Schaden entstand aber im Mättle“, erklärte Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Wohnbau Lörrach, auf Anfrage.

Dort drückte das Wasser durch die Fenster und die Außentreppe ins Untergeschoss, zerstörte die massive Eingangstür und stand zeitweise 140 Zentimeter hoch im Veranstaltungsraum „Theodor“.

Durch schnell eingeleitete Trocknungsmaßnahmen und eine Pumpe der Feuerwehr konnten die meisten Bereiche laut Nostadt aber schnell wieder trockengelegt werden, nun müsse die Bausubstanz untersucht werden. Nostadt: „Wir bringen das wieder in Ordnung, und die Versicherung übernimmt die Schäden. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern ist das alles Pillepalle.“

50 Liter Regen in weniger als einer Stunde

Während zunächst in Brombach sowie später in Tumringen und Teilen von Tüllingen gefühlt beinahe die Welt unterging, blieb es in anderen Stadtteilen weitgehend ruhig, wie unser Leser Helmut Bräuning mitteilte: „In Stetten habe ich an meinem Regenmesser am Freitag um 20 Uhr für die letzten 24 Stunden nur 14 Liter gemessen.“ 

Zum Vergleich: In Tumringen wurden bei einer privaten Messstation 50 Liter pro Quadratmeter erreicht – allerdings in deutlich weniger als einer Stunde.

Werkhof stark gefordert

Stark gefordert waren natürlich auch die Kräfte des Werkhofs. Schon am Freitag um 3 Uhr ging es in Brombach los. Der Schwerpunkt lag darin, Bachläufe und Bauwerke freizuhalten, die teilweise durch angeschwemmtes Material verstopft waren. Später mussten Fahrbahn und Einläufe gereinigt werden.

Am Abend dann waren neun Mitarbeiter des Werkhofs mit zwei Kehrmaschinen, zwei Radladern sowie Kleinfahrzeugen im Einsatz, um die betroffenen Straßen von Geröll und Schlamm zu reinigen und Böschungen zu sichern. Weitere Aufgaben: die Reinigung und das Spülen von Einlaufbauwerken und Rechen sowie die Schließung geöffneter Kanaldeckel. Zudem wurden neuralgische Punkte gesichert.

Behebung der Schäden wird dauern

Derzeit verschafft sich der Fachbereich „Straßen/Verkehr/Sicherheit“ einen Überblick über alle Schäden, die sukzessive mit dem Werkhof beziehungsweise Fremdfirmen behoben werden. Dies könne allerdings eine Zeit lang dauern, teilte die Stadt auf Anfrage mit.

„Die Zusammenarbeit von Werkhof, THW, Polizei und Feuerwehr lief bestens“, lobte unterdessen Klaus Dullisch, Fachbereichsleiter „Straßen/Verkehr/Sicherheit“. Es habe massiv viele Hilfe-Anrufe gegeben. „Die haben alle einen tollen Job gemacht – alle Achtung – und bis an die Grenze der Erschöpfung gearbeitet. An alle ein riesengroßes Dankeschön.“

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